Keys: "Ich will nicht in Angst leben"
Weil sie sich so fühlt, hat Alicia Keys ihr neues Album „Girl On Fire“ genannt. Denn mit ihrem Mann, dem Produzenten Swizz Beatz, und Söhnchen Egypt konnte sie sich nach Jahren voll Stress und Sorgen, wieder Leidenschaft für das Leben entwickeln.
KURIER: Der Song "Brand New Me“ klingt wie eine Art Leitthema für das Comeback-Album. Wann und wie haben Sie Ihr „brandneues Ich“ entdeckt?
Alicia Keys: Das hat sich über eine längere Zeit entwickelt. Ich bin mir jetzt viel klarer darüber, was ich will und was ich nicht will. Dass ich mich nicht mehr mit Menschen umgeben will, die mich bremsen, mir sagen, dass meine Ideen nicht gut sind. Oder, dass ich Dinge nicht versuchen soll, weil dann könnte das und das passieren. Ich will nicht mehr in Angst leben.
Plattenfirmenvertreter haben Ihnen tatsächlich gesagt, Ihre Ideen sind nicht gut?
Nicht nur Leute von Plattenfirmen, auch andere. Aber das war nicht böse gemeint, sie haben halt ihre Meinung gesagt. Aber für mich war es wichtig, meine Ängste zu überwinden, den Mut zu finden, meine Entscheidungen zu treffen, ohne darauf zu warten, dass sie von anderen gemocht werden.
Wie haben Sie die Ängste überwunden? Kommt die Stärke auch aus dem Familienleben?
Oh, ja. Denn mein Mann ist großartig, will immer, dass ich alles machen kann, was ich will, all meine Talente auslebe. Das ist extrem rar. Bevor ich mit ihm zusammenkam, war ich gestresst und überarbeitet, weil ich zu sehr auf die Arbeit fokussiert war, im Kopf immer schon in der nächsten Woche gelebt habe. Aber damit macht man sich selbst unnötig Angst. Denn vieles, worüber wir uns dabei Sorgen machen, ist noch gar nicht passiert. Deshalb versuche ich jetzt, mehr im Moment zu leben.
Waren Sie so auf die Karriere fixiert, weil Sie in
Manhattan in dem Armen-Viertel Hells Kitchen aufgewachsen sind?
Meine Mutter war alleinerziehend, hat sich dafür abgerackert und hat so in mir diese Einstellung geweckt, du musst dranbleiben, fleißig sein, sonst gehst du unter. Aber ich beschwere mich nicht, denn Hell’s Kitchen hat mir eine dicke Haut und Kampfgeist gegeben.
Ist das Gespräch mit Ihrem Sohn auf dem Song „When It’s All Over“ echt?
Ein bisschen gemogelt ist das schon. Der Song handelt von ihm. Davon, dass ich, wenn alles zu Ende geht, wenigstens die Liebe zu ihm hatte. Als wir das aufgenommen haben, ist er reingekommen, war fasziniert vom Mikrofon. Ich habe ihm eines gegeben und ihm Fragen gestellt. Damals konnte er aber noch nicht so gut sprechen. Aber jetzt ist er schon zwei Jahre. Und damit er auch so klingt, haben wir genau dieselbe Konversation noch einmal aufgenommen.
Weiß er, dass seine Mama berühmt ist?
Er kriegt es langsam mit. Neulich zu Hause sah er mich an und sagte: „Alicia Keys.“ Und ich: „Nein, ich bin Mummy!“ Ich denke, das kommt, weil er bei den Promo-Trips mit war und sich da alles immer um Alicia Keys dreht. Aber er weiß auf jeden Fall, dass ich singe, sagt immer: „Mummy, sing deinen Song.“
Sie betreiben auch eine Filmproduktionsfirma. Welche Ideen wollen Sie damit verwirklichen?
Ich liebe es, Geschichten zu erzählen, die verschiedene Facetten haben, tiefer gehen, als
Hollywood das tut. Wir haben gerade „The Inevitable Defeat Of Mister And Pete“ fertig gemacht. Der Film handelt von zwei Buben, die einen Sommer lang in
Brooklyn überleben müssen. Jennifer Hudson spielt mit und George Tillman hat Regie geführt.
Wie schwierig ist es heute, tiefer gehende Filme zu finanzieren?
Ich weiß nicht, ob das an der Wirtschaftskrise liegt, oder an der Gesellschaft. Aber alle wollen immer nur Blockbuster, Action und Stoffe, aus denen man Serien machen kann – obwohl Independent-Filme viel billiger sind.
Und was lieben Sie am Schauspielen?
Dadurch, dass ich dabei eine ganz andere Person zum Leben erwecken muss, sind bei allen meinen bisherigen Filmen immer Dinge aus meiner Persönlichkeit rausgekommen, die ich vorher nie ausgelebt habe. Das ist mysteriös und auch ein bisschen ungemütlich, aber auch toll.
Was gibt Ihnen die Arbeit mit Ihrer Benefizorganisation „Keep A Child Alive“?
Wir versorgen damit aids-kranke Kinder in Afrika mit Medizin. Ein Teil davon zu sein, hilft mir, besser zu verstehen, was in der Welt vorgeht, hält mich am Boden und macht mich so dankbar für das, was ich habe. (Brigitte Schokarth)
INFO: Alicia Keys live: 13. Juni 2013 Wien/Stadthalle. Der Kartenvorverkauf startet am 29. 11.
unter 01/96 0 96 und www.oeticket. com oder www.lskonzerte.at
Der Mut, von dem Alicia Keys im KURIER-Interview spricht, zeigt sich gleich mit dem ersten Track ihres neuen Albums „Girl On Fire“: Mit „De Novo Adagio“ stellt sie ein klassisches Stück an den Anfang. Und das geht nahtlos in „Brand New Me“ über, bei dem die klassisch ausgebildete Pianistin mit Vorliebe für Debussy ihr Spiel geschickt mit Electro-Pop-Elementen paart.
Mutig auch, wie sie gleich darauf über einen jazzigen Rhythmus düstere Synthesiser-Klänge legt und später mit Latin-Pop experimentiert. Geholfen hat ihr dabei eine illustre Gäste-Schar: Jamie Smith von The xx und Dr. Dre haben produziert, Emelie Sande hat „101“, einen der besten Tracks, mit Keys geschrieben, Maxwell singt mit ihr „Fire We Make“.
Leider gibt es auch einige enttäuschende Melodien. Und die liegen vorwiegend über den experimentellen Tracks. Nach wie vor zauberhaft ist Keys aber, wenn sie reduziert bleibt, nur mit Stimme und Piano ausdrückt, was ihr am Herzen liegt. Wie bei der Hit-Single „Girl On Fire“, dem Old-School-Soul Track „Tears Always Win“ oder „Not Even The King“. Diesen herausragenden Song hat Keys über einen Bekannten geschrieben: „Der ist unglaublich reich, hat alles – außer echter Liebe, was aber seine größte Sehnsucht ist. Dadurch habe
ich erkannt, wie rar das ist, was ich mit meinem Mann habe.“
Fazit: Ein Album mit einigen Highlights. Das musikalische „Brand New Me“ scheint aber zumeist im Kopf stecken geblieben zu sein – ohne Kontakt zu Keys Seele. (Schoki)
KURIER-Wertung: *** von *****
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