Katrina Daschner: Queere Quallen besiegen die Stacheln der Sprache

Katrina Daschner: Queere Quallen besiegen die Stacheln der Sprache
Die famose Werkschau von in der Kunsthalle Wien hüllt ihr Publikum in lustvolle Bilder ein

Spätestens seit Odysseus stehen Sirenen für die Gefahr, die von Frauen ausgeht – Männer müssen ihre Sinne betäuben, um nicht von ihrem ach-so-geradlinigen Weg abzuweichen.

Die Künstlerin Katrina Daschner bezeichnet Sirenen dagegen als „Schwestern“: Zumindest heißen so die Skulpturen, bestehend aus einer langen Mähne und einem Stab mit Goldkettchen innendrin, die wie Bojen durch den Parterre-Saal der Kunsthalle Wien im MuseumsQuartier (irre?)leiten.

Katrina Daschner: Queere Quallen besiegen die Stacheln der Sprache

Filmleinwände scheinen dort in silbrige Lachen auszufließen, glitzernde Vorhänge geben beim Durchwandern immer neue Bildwelten frei, eine Wand ist mit dem Foto einer überdimensionalen Perlenkette tapeziert.

Die Bewegtbilder – das prinzipelle Medium der in Hamburg aufgewachsenen, seit mehr als 25 Jahren in Wien lebenden Künstlerin – sind in ihrer Brillanz betörend: Im Film „Perlenmeere“ pulsieren Korallen und Quallen zwischen Ansichten eines antiken Amphitheaters, im Zweikanalvideo „Golden Shadow“ trifft eine Darstellerin (Hyo Lee) auf Baumwesen und andere Kreaturen. Die Nahaufnahmen ihres schwitzenden Körpers lassen dabei offen, ob die unheimlichen Begegnungen Lust, Angst oder beides auslösen. Alles ist unglaublich direkt und spricht über den Sehsinn körperliche Empfindungen an.

Hinter dem theatral-glamourösen Erlebnis (in der Vorhalle regnet es auch noch Konfetti!) steht ein dichtes konzeptuelles Gerüst, das in der queeren Kultur fußt: Es gilt, Kategorien bei Geschlechterrollen, Beziehungen und Machtverhältnissen umzustoßen und neu zu denken. Jene Gemeinschaften, die nie mit den hergebrachten Ordnungen konformierten, sind dabei nicht länger Randfiguren, sondern Wegweiser. Vieles, das die Gesellschaft sich einfallen ließ, um das Abweichen zu dämonisieren, erhält neue Bedeutung – etwa die bedrohliche Figur der gezähnten Vagina („vagina dentata“), die nun das Eingangstor zu Daschners Wunderwelt umrahmt.

Katrina Daschner: Queere Quallen besiegen die Stacheln der Sprache

Leider hält der queere Diskurs oft auch eine Sprache für notwendig, die stacheliger daherkommt als ein Seeigel: Wer in Ankündungstexten der Schau über „intersektionale queere Strategien, die (neo-)liberale, heteropatriarchale Auffassungen untergraben“ belehrt wird, bekommt keine Ahnung von der Freude, die Daschner am Umwälzen der Kategorien hat.

Zwar sind spröde Formulierungen durch die Theorie-Ahnherrin Judith Butler fest in der queeren Bewegung verankert – sie will ja auch nicht anschiegsam sein. Der Kontrast zu Daschners Kunst aber lässt fragen, ob der Sprachgebrauch der Szene nicht primär deren eigene Anliegen untergräbt.

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