"Kasimir und Karoline" am Landestheater NÖ: Disco-Tanz verlorener Seelen

Ödön von Horváth stellte seinem Drama „Kasimir und Karoline“ die Anmerkung voran: „Dieses Volksstück spielt auf dem Münchner Oktoberfest, und zwar in unserer Zeit.“
In der Tat ist dieser Text so aktuell wie zur Zeit seiner Uraufführung anno 1932.

Arbeitslos
Wer abgebaut wird, also wer seinen Job verliert, verwirkt das Recht auf sein Lebensglück. Als der Chauffeur Kasimir arbeitslos wird, trennt sich seine Freundin Karoline von ihm und wendet sich Männern zu, von denen sie sich einen sozialen Aufstieg verspricht.
Der junge Wiener Regisseur Moritz Franz Beichl zeigt diese Geschichte in kompakten eineinhalb Stunden im Landestheater Niederösterreich in einer Koproduktion mit den Grand Théatre de Luxembourg.
Beichl ist Hausregisseur am Deutschen Theater Göttingen. 2019 wurde er mit dem Nestroy-Preis in der Kategorie „bester Nachwuchs“ ausgezeichnet. Zu Recht, wie seine Interpretation demonstriert.
Auf einer schwarzen Bühne (Anouk Schlitz), von deren Decke in leuchtenden Neon-Lettern der Stücktitel und allerlei Jahrmarktutensilien hängen, lässt er das Personal agieren. Beichl schafft die Balance zwischen der Atmosphäre der 1930er-Jahre und der Gegenwart. Die manifestiert sich in den Liedern (Philipp Auer), die zunächst etwas aufgesetzt wirken, und in einem Disco-Tanz verlorener Seelen.

Gefühlskälte
Das Tolle ist, dass trotz stringenter Kürzungen nichts fehlt. Die Horváth’sche Beklemmung wird durch Beichls akkurate Personenführung eindrücklich vermittelt. Das gesamte Ensemble agiert homogen eindrücklich.
Laura Laufenberg zeigt die Karoline als junge, aufstrebende Frau mit einem hohen Maß an Gefühlskälte, changiert zwischen der schwärmerisch Naiven und der eiskalten Karrieristin, die nicht davor zurückschreckt, sich zu verkaufen.
Konstantin Rommelfangen berührt als Kasimir. Da steht tatsächlich ein junger Mann auf der Bühne, der an seiner Aufrichtigkeit zugrundegeht. Tobias Artner demonstriert als Schürzinger eine Art Pseudo-Unschuld. Jeanne Werner besticht als fragile Erna, Lennart Preining nimmt man den bodenständigen Merkl Franz, der nichts zu verlieren hat, ab.
Michael Scherff ist ein übergriffiger Rauch, Simon Bauer ergänzt sehr gut als Sperr. Viele Bravos für diese gelungene Aufführung.
Weitere Termine: 6., 11., 12. Oktober, 4. November, 2. und 5. Dezember, 18. Jänner.
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