Karin Bergmann kontert Michael Jeannée

Burg-Chefin Karin Bergmann
Die Burgtheater-Chefin verteigt das Handeln ihrer Schauspier beim Ungarn-Gastspiel.

Michael Jeannée attackierte am Donnerstag in seiner Kolumne in der Kronen Zeitung den Schauspieler Martin Reinke, der nach dem "Möwe"-Gastspiel des Burgtheaters in Budapest am Sonntagabend ein politisches Pamphlet verlesen habe.

Direktorin Karin Bergmann konterte, dass ein zugesagtes Publikumsgespräch von der Theaterleitung abgesagt wurde. Die Schauspieler wollten ihre Besorgnis über die Entwicklung der Kulturnation Ungarn ausdrücken: "Das als Pamphlet zu bezeichnen, in dem eine ,rechtsnationale‘ ungarische Regierung gegeißelt wird, ist tendenziös."

Kritik an Regierung Orban

Am Ende von Jan Bosses Inszenierung von Tschechows "Die Möwe" verlas Reinke die Erklärung, in der er die rechtsnationale ungarische Regierung kritisierte. Theaterdirektor Attila Vidnyanszky hielt mit den Namen von antihabsburgischen Generälen aus 1849 dagegen.

Das Gastspiel fand im Rahmen des Madach International Theatre Meeting (MITEM) statt. Der Deutsche Reinke, der in "Die Möwe" Jewgeni Sergejewitsch Dorn verkörpert, äußerte in seiner überraschenden Erklärung Sorgen um die "schwere Situation" des ungarischen Volks und der Kultur und beklagte, dass sich das Land unter Ministerpräsident Viktor Orban "immer mehr vom Geist der Demokratie und von Europa entfernt".

Vonseiten des Burgtheaters hieß es gegenüber der APA, dass man ursprünglich im Rahmen eines Publikumsgesprächs mit Jan Bosse mit den Besuchern in Dialog treten wollte. Nachdem Bosse nicht anreiste, sei es den Schauspielerin wichtig gewesen, ihre Besorgnis betreffend der aktuellen Entwicklung anderweitig auszudrücken.

Für Vidnyanszky war Reinkes politischer Auftritt dennoch keine Überraschung gewesen, hatte er doch eine simultane Gegenaktion vorbereitet, berichteten ungarische Medien. Während Reinke seinen Protest-Text in deutscher und englischer Sprache verlas, gab es auf dem Bildschirm, der vorher den ungarischen Tschechow-Text zeigte, die Namen von 13 antihabsburgischen, ungarischen Generälen zu lesen. Diese Militärs waren im Jahr 1849 im damals ungarischen, heute westrumänischen Arad als Landesverräter hingerichtet worden. Die Episode gilt in Ungarn als Symbol für die österreichische Unterdrückung der Ungarn.

Brisante Vorgeschichte

Das Gastspiel hat ohnehin eine brisante Vorgeschichte: Attila Vidnyanszky (51) war 2013 auf den wegen Regimekritik in Ungnade gefallenen Nationaltheater-Intendanten Robert Alföldi gefolgt. Als seinen Anspruch formulierte der als konservativer und anti-modernistischer Theatermacher beschriebene neue Direktor die Positionierung des Nationaltheaters als ein "mit internationalem Maßstab gemessenes bedeutendes Theater, das die ganze Nation als ihr eigenes Theater betrachtet".

In der Folge gab es Proteste von zahlreichen europäischen Kulturschaffenden gegen die als politisch motiviert wahrgenommene Besetzung, darunter auch vom damaligen Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann, der etwa eine Gastspiel-Einladung des Ungarischen Nationaltheaters ablehnte. Nach Platzen des Finanzskandals am Burgtheater verzichtete das Ungarische Nationaltheater seinerseits auf eine Teilnahme am "Ungarn-Festival" am Burgtheater im März 2014.

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