Kampf gegen das Lichtgewitter

Matt Bellamy von Muse spielt Gitarre auf der Bühne.
Bombastrocker Muse schälten sich in der Wiener Stadthalle punktweise aus ihrer Distanziertheit.

Der „Zweite Lehrsatz der Thermodynamik“ besagt, dass sich Wärme innerhalb eines geschlossenen Systems nicht ohne Verlust überträgt. Muse haben ihn zum Thema ihres jüngsten Albums „The 2nd Law“ gemacht. Ein erlesener Ansatz. Man könnte auch sagen abgehoben.

Und das war immer schon das Problem der britischen Band. Zumindest seit die Truppe Mitte der Nuller-Jahre in Stadionrock-Dimensionen aufgestiegen ist. Da umgaben sich die drei – zehn Jahre in Club-Tingelei geschult – mit optischem Bombast, füllten die riesigen Bühnen mit allem was blinkt, blitzt und strahlt. Während Fans in Foren von der grandiosen Show schwärmten, bemängelten Kritiker das kalte Feeling der im Lichtgewitter verblassenden Musik.

Börsenticker

Auch Montagabend in der Wiener Stadthalle war das von Beginn an zu spüren. Obwohl die „The 2nd Law“-Show eine rundum offene Bühne bietet. Muse stehen in einer Halbkreis-Rampe aus LED-Wänden auf denen Börsen-Ticker laufen. Dann senkt sich eine umgedrehte Stufenpyramide aus LED-Elementen vom Dach – so grell, dass es kaum andere Scheinwerfer braucht.

Ein Wow-Effekt – der mehr überfährt als beflügelt. Dazu Songs wie „Resistance“ und „Supermassive Black Hole“ – in der Kombination dringt das mehr ins bewundernde Hirn als in ein aufgehendes Herz. Denn da geht es um die Energiekrise, außerirdisches Leben und Verschwörungstheorien. Das sind – anders als bei U2 oder Coldplay – keine Botschaften von Frieden und Liebe, die die Zuschauer umarmen und für die Zeit der Show vereinen, die für alle gleich gültig und wertig sind, weil sie Ursehnsüchte berühren. Dagegen wirkten die Songs von Muse-Frontmann Matt Bellamy zwangsläufig entrückt.

Dazu kommt seine reservierte Bühnenpräsenz – mit dramatischen Gesten, aber kaum Interaktion. Ein paar Mal sagt er „Danke“, aber das reicht nicht, das menschelt nicht. Wie bei Shows von Sigur Ros oder Kraftwerk hat man bei Muse das Gefühl, einen faszinierenden Kosmos anzustarren – aber nie Einlass gewährt zu bekommen.

Mächtig

Aber Muse scheinen das erkannt zu haben, steuern dagegen. Sie haben die Podeste der letzten Tour verbannt, die jeden Musiker 15 Meter vom anderen entfernt zehn Meter über den Boden hievten. Stattdessen stellen sie sich anfangs für ein paar Songs dicht um das Drum-Podest von Dominic Howard, schweißen sich zusammen, bevor sie auf Rampe und Stege ausschwirren.

Außerdem bleibt die LED-Pyramide der einzige Showgag – mächtig zwar, aber nicht permanent wichtig. Und das wirkt. So darf der Fokus wieder mehr auf der Musikalität sein, wenn Bellamy am Piano seine klassische Ausbildung auslebt . Oder auf dem einzigartigen Muse-Sound, der Symphonisches und harte Rock-Gitarren vereint, auch vor Dubstep nicht zurückschreckt. Auf der Opern-schönen Stimme von Bellamy und den hymnischen Melodien, die er schreibt.

So gibt es dann zwischendurch bei „Time Is Running Out“ in der Hälfte schon einen ersten euphorischen Massenchor der 16.000 Wiener. Und erst recht bei den Zugaben, wenn die Pyramide sich umdreht, auf dem Bühnenboden steht und Muse Hits wie „Uprising“ und „Knights Of Cydonia“ auspacken. Am Ende war’s eine tolle Rockshow, aber kein bewegendes Erlebnis.

KURIER-Wertung: **** von *****

Fotos des Muse-Konzerts in der Stadthalle

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