Gesangssolisten sind unter anderem Josef Wagner (Tod), Daniel Schmutzhard (Kaiser Overall), Rebecca Nelsen (Bubikopf), neben dem Orchester ist auch ein großer Chor im Einsatz. „Ich habe mir von Anfang an gedacht: Der Tanz muss hier eine große Rolle spielen“, sagt der Dirigent. „Denn einerseits passiert der Tod eben im Körper, es braucht da die Körperlichkeit. Und die Sänger brauchen eine Art bleibendes Alter Ego, während sie die verschiedenen Rollen singen.“
All das zu einem rund eineinhalbstündigen Ganzen fügt Choreograf und Regisseur Andreas Heise. Dabei wird auch das oft starre Rollengefüge auf der Bühne aufgebrochen, bestätigt Wellber, die Tänzer, die sonst kaum je ihre Stimme einsetzen, haben Sprechparts und auch einen Chor aufgenommen, der zu einer musikalischen Installation wird. Ebenso wird man von den Sängern mehr Bewegung sehen als gewöhnt.
„Es muss jeder aus seiner Komfortzone heraus“, sagt Heise, „jeder muss lernen, die Sprache des anderen zu sprechen. Eine Tänzerin hat mir gesagt, dass sie jetzt die Arbeit der Chormitglieder besser versteht, das hat mich sehr gefreut“. Es sei „vielleicht so, dass man gar nicht auf den ersten Blick weiß, wer da jetzt singt und tanzt. Und das finde ich schön, dass diese Kunstformen sich hier gegenseitig so befruchten und ineinandergreifen.“
„Wer weiß, wie Oper sonst oft aussieht, wird überrascht sein von all dem, das die Sängerinnen und Sänger machen. Nennen wir es musikalisches Tanztheater“, sagt Wellber. Das gelte auch für das Requiem, das „Teil der Geschichte ist, die wir erzählen“.
Eine Essenz dieser Geschichte ist, dass sich der Tod am Ende durchsetzt, auch der Kaiser muss ihn als Teil des Lebens anerkennen. „Um ein moralisches Leben zu führen, muss man den Tod akzeptieren“, sagt der Dirigent.
„Der Kaiser denkt, dass er unsterblich ist, dass der Tod unnötig ist. Aber der Tod ist ein notwendiger Teil des Lebensprozesses. Auch moralisch: Die schlechten Menschen denken immer, sie seien unsterblich. Viele Menschen können sich nicht vorstellen, nicht zu existieren, und klammern sich ans Leben. Ich denke, dass es heute so viele Menschen wie noch nie gibt, die Schwierigkeiten damit haben, mit dem eigenen Tod umzugehen. Ich glaube, dass das viele Probleme mit sich bringt.“
Erlösung
Der Tod, sagt auch Heise, kommt „in beiden Stücken eigentlich als Erlöser ins Spiel, er ist mehr Erlösung als Schmerz“, man spüre auch durch diese Figur den Wunsch des Komponisten Ullmann, „dass diese Diktatur aufhört. Gleichzeitig versuchte er auch, mithilfe von Humor, Ironie und Satire mit seiner Situation umzugehen. Kultur wird hier zu einer Art Heilmittel.“
In Wien ist, zumindest dem Klischee nach, der Tod ohnehin präsenter als anderswo. Wellber stimmt zu: „Von den größten und spannendsten Menschen der vergangenen 150 Jahre sind vielleicht die Hälfte in Wien gestorben“, sagt er. „Ich glaube, das prägt die Stadt bis heute.“
Spielt die reiche Bühnenkultur hierzulande diesbezüglich auch eine Rolle, lernt man im Theater und der Oper, mit dem Tod umzugehen? „Wenn ich auf der Straße jemanden anlächele, dann zieht das vielleicht Kreise, er lächelt vielleicht die nächste Person auf der Straße an, ist freundlicher zu seiner Familie oder was auch immer“, sagt Wellber. „Wenn nach einer Opernaufführung 1000 Leute glücklich oder nachdenklich oder wie auch immer nach Hause gehen, dann beeinflussen die vielleicht 20.000 Leute. Es kann sein, dass ich da naiv bin. Aber ich glaube schon, dass das etwas verändert.“
Fragen statt Antworten
Ist diese Chance auf positive Auswirkungen der Kultur nun, mit all den Sparmaßnahmen und politischen Kulturkämpfen der Populisten, gefährdet? „Alles kann sich in einer Sekunde verändern“, sagt Wellber.
„Ich weiß nicht, ob die Kultur wirklich gefährdet ist. Aber ich weiß, warum manche Politiker uns nicht mögen. Denn Kultur stellt Fragen, aber der Faschismus kennt nur Antworten. Die Nazis, die Faschisten – all diese Menschen waren immer völlig überzeugt. Die Kultur mag Antworten nicht, die sind langweilig und eindimensional.“
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