Georg Ringsgwandl: "Meine Welt hat einen langsameren Takt“
Schawumm! So klingt's, wenn der Paketbote die Seitentür seines Transporters zuschiebt.
„Schawumm“ ist auch der Titel von Georg Ringsgwandls neuem Album mit zehn neuen Songs. Ein bisschen altersweise, humorvoll und sehr melancholisch? „Das trifft es ziemlich exakt“, sagt der Kabarettist lachend im Gespräch. Er gibt sich auch 76-jährig optimistisch und tänzelt gewandt zwischen Philosophie, Irrwitz und Alltagsabsurditäten durch eine Welt voller Katastrophen.
Zeitgeist
„Ich hab' reichlich Glück gehabt und kann mich überhaupt nicht beklagen. Natürlich könnte man dem Zeitgeist entsprechend immer maximal klagen und jammern, im Zweifelsfall über das Klima. Aber mir geht es wirklich besser, als ich es verdient habe.“
Hoch ist der Spaßfaktor beim Song „Klimadisko“, als Zufallsprodukt spontan im mobilen Studio entstanden.
Über einen scharfen, geilen Disco-Beat des Schlagzeugers heben Bassist und Gitarrist ab, und plötzlich hat das Ding einen Zug. Drüber hingeblödelt ein paar Sprüche.
Mit Klima hat der Text nur noch peripher zu tun. Ringsgwandl trockenhumorig: „Mit Greta Thunberg kann ich nicht konkurrieren.“
In die Kategorie Lied vom Leben mit Seele fällt „Phänomen“ mit einem schönen Slide-Gitarren-Intro, entstanden in einer längeren Phase des Alleinseins als Witwer, erzählt vom „zerzausten Leben“ eines Typen, der eine nette Frau kennenlernt: „Es beschreibt etwas, das häufiger vorkommt: nicht mein eigenes Schicksal, sondern wie es vielen Leuten geht, wie man es manchmal bei anderen beobachtet, und da fließt dann die eigene Erfahrung, die eigene Optik mit ein.“
Im Grunde ist „Schawumm“ mit einigen Liebesliedern eine Nachlese aus der Corona-Zeit, schon vorgesehen für 2021 und dann mehrmals verschoben. „Lied für Dich“ covert eines der bekanntesten Stücke von Leon Russell: Die leidenschaftliche Ballade „A Song for You“ (1970) ist die Bitte um Vergebung und Verständnis von einer entfremdeten Geliebten.
„Leon Russell schrieb den Song unglaublicherweise mit etwa 22 Jahren angeblich innerhalb einer Stunde. Durch Ray Charles und Joe Cocker, der ihn auf der Mad Dogs & Englishmen-Tournee gesungen hat, wurde er berühmt“, so der gerade für sein Lebenswerk mit dem Bayerischen Kabarettpreis ausgezeichnete Ringsgwandl.
„Diese da geschilderten Gedanken, Überlegungen und Empfindungen, die Leute jenseits der 50 so ab und zu anwehen, sind mir selber dann vor fünf Jahren bewusst geworden, als ich selber schon ein alter Knochen war. Was für eine unglaublich gute Nummer! Das ist kein Ausdruck von Depression, sondern ich finde und bestehe darauf, dass die Überlegungen von einem 70-Jährigen nicht weniger interessant sind als die von einem 17-jährigen Taylor-Swift-Fan. Deswegen sind Nummern dieser Art im neuen Album drin.“
Von alten Seelen
Die sogenannten alten Seelen wie Russel, Bob Dylan oder Paul McCartney, Autor von „When I'm 64“, konnten sich blutjung in die Lebenssituation 50 oder 60 Jahre älterer Menschen hineinversetzen und deren Gedanken so erfassen, dass Songs entstanden, die Gültigkeit für mehrere Generationen haben. Und was hält ein Oldie wie Ringsgwandl von Taylor Swift?
„Die hat wirklich unglaubliche Fähigkeiten, ist außerordentlich tüchtig und begabt. Die hat durchaus etwas, was ich bewundere. Und die kann was, hat etwas Sympathisches, Authentisches. Das ist keine so irgendwie verzupfte, synthetische Pop-Henne.“
Wenn der bayrische Songpoet die Wahl hat, vor einem ganz jungen oder einem älteren Publikum zu spielen, dann spielt er lieber vor den Älteren: „Weil die mehr Lebenserfahrung haben. Die haben mehr gesehen, gelesen, mitbekommen und sind wesentlich kritischer. Und wenn die das schätzen, was ich mach, dann bin ich wirklich sehr zufrieden. Dann weiß ich, was das bedeutet.“
Nach „Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris“ hat der Liedermacher schon das nächste Buch – „nicht zu dick und nicht zu kompliziert vom Plot“ – in der Reißen: „Über Staffabruck, dieses Glasscherbenviertel, in dem ich aufgewachsen bin, am Rand von Reichenhall.“ Den Ort seiner Kindheit hat er bereits skizziert auf dem Album „Staffabruck“ (1993), u.a. mit der traurigen Geschichte vom Schwarzen Mann am Wohnzimmersofa, der melancholischen Lebensbeichte an die liebe Inge und dem Traum vom Glück im Mercedes. Eine berührende Reise ins Ich.
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