Jüdisches Museum: Die Angst vor Terror, Seuche, Krieg und Populisten

Die Einnahme setzt blinden Gehorsam voraus: Entwurmungsmittel 
Das JMW wirft am Judenplatz Schlaglichter auf Ängste aller Art - und spart nicht mit einer kritischen Anmerkung zu Herbert Kickl

Das Jüdische Museum Wien setzt am Standort Judenplatz seine nicht gerade leichtfüßige Reihe fort: Nach „Schuld“ und „Raub“ geht es nun (bis 27. April) um „Angst“. Das Prinzip bleibt das Gleiche: Man verzichtet auf Tiefe oder Breite, sondern präsentiert anhand von „sprechenden“ Objekten einige Facetten.

Vollständigkeit sei auch nicht das Ziel gewesen, so Kuratorin Andrea Winklbauer im Katalog: „Dafür gibt es viel zu viele Gründe, Angst zu haben – immer schon, aber heute wieder ganz besonders.“ Jüngst seien Ängste aufgelebt, die für überholt gehalten worden waren: die Angst einer Minderheit vor der Mehrheitsgesellschaft; an einer Seuche zu sterben; vor Terror und Krieg; vor einem totalitären Staat – oder vor antisemitischen Übergriffen.

Jüdisches Museum: Die Angst vor Terror, Seuche, Krieg und Populisten

Ein zentrales Objekt der Ausstellung „Angst“: Friedl Dicker verarbeitete in diesem Ölbild ihr Verhör 1931 in Wien. Ihr waren Dokumenten- und Passfälschung vorgeworfen worden. Sie emigrierte 1933 nach Prag und starb 1944 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau

Und so geht es nicht nur um Angstauslöser (inklusive schwarzer Pädagogik), sondern auch um Strategien gegen Ängste (mithilfe einer fünf Kilo schweren Kuscheldecke) – und die „Angst vor der Angst“. Franz Kafkas späte Erzählung „Der Bau“ als Illustration erscheint allerdings etwas weit hergeholt. Denn der Dachs hat in seinem Bau nicht panische Angst vor dem enervierenden Geräusch, sondern er wird panisch, weil er es nicht lokalisieren kann.

Geglückt ist eine Gegenüberstellung: Der Türflügel einer Sammelwohnung aus der Leopoldstadt, in der die Juden dahinvegetierten, bis sie vom NS-Regime deportiert wurden, wird mit dem Foto einer durchschossenen Tür ergänzt. Es ist Teil einer Doku von Ziv Koren über die Gräuel der Hamas am 7. Oktober 2023 im israelischen Kibbuz Nir Oz.

Thematisiert wird natürlich das Schüren der Angst durch Populisten. Ausgestellt ist auch eine Packung Ivermectin: „Herbert Kickl empfahl das Entwurmungsmittel als Medikament gegen Covid-19. Obwohl Expert:innen von der Einnahme abrieten, vertrauten so viele Menschen seiner Behauptung, dass Medikamente mit diesem Wirkstoff in Apotheken wochenlang ausverkauft waren.“ Einen Hinweis auf mögliche tödliche Auswirkungen verkneift man sich nicht.

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