John Steinbecks Provokation mit dem unfreundlichen Geld
Es war sein letzter Roman, und danach bekam der Amerikaner
John Steinbeck den Nobelpreis (1962).
Nach solchem unverhüllt moralischen Sch..? Steinbeck sei am absteigenden Ast ... So stand es sinngemäß in New York Times bis Spiegel. Was störte die Kritiker?
Miss Mousie
Die Hauptperson im Roman fragt sich: „Wurde eines der großen Vermögen, die wir bestaunen, ohne Rücksichtslosigkeit erlangt?“
Und gibt sich die Antwort: „Mir fällt keines ein.“
„Der Winter unseres Missvergnügens“ ist ein sehr provokanter und gut gelaunter Roman.
Er besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil spielt um Ostern 1960, der zweite im folgenden Juli. Zuerst lernen wir
Ethan Hawley als lieben, lustigen Kerl kennen. Mit seiner Geschäftsidee ist er baden gegangen. Im Lebensmittelgeschäft, das ihm einst gehörte, ist er jetzt Verkäufer, der Besitzer ist ein Italiener, der Ethan davon überzeugen möchte, dass man beim Abwiegen der Ware schummeln muss.
Ethan ist entsetzt.
Seine Frau nennt er liebevoll – im Original – „Miss Mousie“ und „Darling chicken-flower“.
In der ersten deutschen Übersetzung (1961, von Moshe Kahn) war sie „Fräulein Mausi“ und „heißgeliebtes Gänseblümchen“. In der Neuübersetztung von Bernhard Robben, ist sie „Miss Mäuschen“ und – alberner – die „liebste Gluckenblume“.
So und so ist es schön. Nach 60 Jahren wurde halt entstaubt und aufgefrischt. (Man schimpft Italiener nun nicht mehr „Katzelmacher“. Schlimmstenfalls nennt man sie „Itaker“. Oder?)
Ethan Hawleys Vorfahren waren Pilgrim Fathers. Und Walfänger waren sie. Er ist also blaublütig sozusagen. „Mach was aus dir!“, rät man ihm in der Kleinstadt auf Long Island.
Naja, und dann hat er sich im zweiten Teil geändert. Hat sich bestechen lassen. Hat denunziert, in den Selbstmord getrieben. Hat sogar einen Banküberfall in Erwägung gezogen ... und ist reich geworden, er hätte jetzt sogar eine hohe Funktion im Rathaus bekommen.
Alles, weil er nicht mehr nett und freundlich war – Geld ist ja ebenfalls nicht nett und freundlich.
Ethan Hawley ist das unangenehm. Er hat Angst, raffgierig zu werden. Er ist und bleibt ein guter Mensch. Trotzdem. Ein Experiment war’s. Der Kinder wegen, die sich für den Vater nicht mehr zu genieren brauchen.
Frage: Kann man ein bissl „falsch“ leben, um einen Standard zu erreichen, damit man „richtig“ weiterlebt? Sage niemand, Steinbecks Roman sei uninteressant und unnötig.
John
Steinbeck:
„Der Winter
unseres
Missvergnügens“
Neu übersetzt von Bernhard Robben.
Manesse Verlag.
608 Seiten.
25,70 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern
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