"Jedermann": Kampffeiern bis zum Weltgericht

Der „Jedermann“ (Cornelius Obonya, Mitte) versucht sich an die Welt zu binden. Doch die Buhlschaft (Brigitte Hobmeier) ist schon fast geflohen, und der Tod (Peter Lohmeyer) naht verlässlich
Kritik: Da hilft kein Jammern und kein Flehen: Auch heuer muss in Salzburg der "Jedermann" sterben.

Am Schluss dann – man verrät hier ja kein unbekanntes Ende – schmeißt der Tod, in nachlässiger Geste, ein Tuch über den Jedermann.

Man steht schon jenseits der Tragödie, im Naturzustand des Totseins. Alles ist geklärt, nur eine Frage bleibt wieder ungelöst: Warum einen dieses Spiel, das nicht die Grundlagen, sondern den kleinsten gemeinsamen Nenner der Moral verhandelt, trotz allem so berührt.

Das hat es auch heuer wieder, bei der Premiere am Samstagabend, bei bestem Wetter am Domplatz. Es ist die zweite Spielzeit der "Jedermann"-Inszenierung von Brian Mertes und Julian Crouch, die sich dem Spiel vom Sterben des reichen Mannes auf handwerklich erfreuliche Weise näherten: Der "Jedermann" ist hier ein Gauklertheater, mit Puppen, blumengeschmückten Fahrrädern und Tierkopfmasken.

Mit einem riesigen weißen Tuch, das zuerst die Buhlschaft in ihrem Kleid (rot, mit vielen Glitzersteinen) verbirgt, dann den Partytisch (und alles Anzügliche, das darunter passiert) bedeckt. Und das gleich darauf den Tod umhüllt, dann, leichentuchgleich, über die Bühne geschleppt wird.

Jedermann: Die Geschichte in Bildern

Eine Szene mit zwei Schauspielern in Kostümen auf einer Bühne.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Eine Theaterszene mit einem Mann, der von anderen auf einer Bühne hochgehoben wird.

Ein kahlköpfiger Mann in weißer Kleidung berührt das Gesicht eines anderen Mannes.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Eine Frau in einem roten Kleid sitzt auf einem Fahrrad, während ein Mann im Anzug daneben steht.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Ein Mann mit Hut und Monokel balanciert eine Münze auf seinem Finger.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Eine Theaterszene mit Musikern und einem Mann, der Erde auf eine unter einem Tuch liegende Person schüttet.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Ein Mann im Anzug sitzt lächelnd auf einer Treppe, neben ihm eine ältere Frau in einem silbernen Kleid.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Eine ältere Frau im weißen Kleid gestikuliert, während ein Mann ihre Hand küsst.

AUSTRIA MUSIC
Eine Frau mit rotem Kleid tanzt auf einer Bühne.

Eine Theaterszene mit einer sterbenden Frau und zwei Männern in Kostümen.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Eine Frau steht auf einem Fahrrad, während ein Mann in Anzug daneben steht.

AUSTRIA SALZBURG FESTIVAL 2014
Auf einer Bühne berührt eine Frau den Bauch eines Mannes im Anzug.

AUSTRIA SALZBURG FESTIVAL 2014
Ein Mann im Smoking sitzt ängstlich vor einer Person im Skelettkostüm.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Ein Mann in einem Anzug wird von einer Gestalt in einem weißen Tuch auf einer Bühne angegriffen.

Ein kahlköpfiger Mann in einem weißen Gewand auf einer Bühne.

Eine Theaterszene mit Engeln, Musikern und Personen mit Dämonenmasken auf einer Bühne.

Ein Mann im Anzug hält einen Geldsack, während ein anderer Mann im Trachtenjanker auf ihn zeigt.

AUSTRIA MUSIC
Szene aus einem Theaterstück mit Schauspielern in historischen Kostümen an einer Tafel.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Zwei Figuren in Kostümen stehen auf einer dunklen Bühne unter einem Baum.

Ein Mann im Smoking steht in einer Kiste, die Teil einer riesigen Statue ist.

Eine Puppe mit lockigem Haar und blauem Band sitzt auf einer Holzkiste.

Ein Mann und eine Frau sitzen auf einer Bühne vor dunklem Hintergrund.

Ein Mann sitzt barfuß auf einer Treppe, während eine Puppe seine Hand berührt.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Ein Mann sitzt auf einem Stuhl über einem anderen Mann auf einer Bühne.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Eine Aufführung vor dem Salzburger Dom bei Nacht.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Ein Mann, als Teufel verkleidet, steht mit erhobenen Armen inmitten von Monsterfiguren.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Ein Mann mit Hörnern und roter Körperbemalung zeigt auf den Betrachter, im Hintergrund zwei Dämonenmasken.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Eine Theaterszene mit als Engel verkleideten Musikern und zwei schwebenden Figuren.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"

Es ist handgemachtes, auf aufwendige Art ursprüngliches, zeitloses Theater, mit dem man sich hier dem ebenso aus der Zeit gefallenen Hofmannsthal-Text nähert.

Feiner Theaterzauber stäubt hier aus kleinen Bildern. Wenn etwa die Werke zuerst ein liebes, aber dünnschwächliches Handmarionetterl sind. Dann aber die Puppenspielerin (toll: Sarah Viktoria Frick) aus dem schwarzen Puppenspielergewand steigt und nun genauso aussieht wie die Puppe, nur jetzt: Groß und stark und jene einzige weltliche Errungenschaft, die den Jedermann vor’s Weltgericht begleitet. Oder wenn der Glaube (Hans Peter Hallwachs), in lichter Höhe sitzend, eine Waschschüssel über den Jedermann ausgießt, ihn so tauft und jenem (naiven Kinder-)Glauben zuführt, der ihm das Sterben ermöglicht.

Flucht

Cornelius Obonya ist ein Jedermann, der es doppelt schwierig hat: Ihn rührt nicht nur die ganze Sache mit dem Weltgericht und dem Sterben. Er hat auch zuvor schon keinen rechten Spaß an jenem großspurigen Leben, das er in den moralischen Sand setzt. Der reiche Mann ist hier auf aufgeregter, hochtouriger Flucht vor der Innerlichkeit, die ihm nicht wesensfremd ist, sondern ihn schon in seinen besten Zeiten bedroht. Das ist stimmig, intensiv und erfreulich. Brigitte Hobmeier als Buhlschaft kommt allzu rasant auf die Bühne gestürzt, wird am Ende ruppig von selbiger gestoßen.

Und ist dazwischen ein Energiebündel, das angesichts des Jedermann’schen Untergangs rasch das emotionale Weite sucht.

Im Zentrum steht der Tod, und das ist ausnahmsweise gut so: Denn Peter Lohmeyer als sich windender, schlaksiger Tod auf High Heels ist der wohl bleibendste Eindruck des Abends. Ganz wird ihm der Sieg letztlich nicht gegönnt: Das Ensemble bannt ihn mit trotzigen Tänzen für das Leben, während es, zwischen dem Publikum hindurch, entschwindet.

KURIER-Wertung:

TIPP: Am Sonntagabend (20.7.) ist der „Jedermann“ übrigens im Fernsehen zu sehen: Die Aufzeichnung der aktuellen „Jedermann“-Produktion aus dem Vorjahr wird um 20.15 Uhr in ORF III ausgestrahlt.

Jedermann, die zweite Runde

Die Inszenierung Heuer zum zweiten Mal zu sehen. In Details nachgeschärftes Gauklertheater, das sich dem Hofmannsthal-Text auf zeitlose Art nähert, und ihn ernster nimmt, als man müsste. Puppen, Masken, einfache, aber ausgeklügelte Requisiten.

Das Ensemble Cornelius Obonya ist ein übertouriger Jedermann, Brigitte Hobmeier als Buhlschaft ein Energiebündel. Peter Lohmeyer als Tod ist ein Ereignis, ebenso Sarah Viktoria Frick als Werke.

Auf dem Höhepunkt werden die Natur und die Menschen euphorisch gefeiert."

Das gilt für das Sufi-Ritual, dessen Musik sich die heute startende "Ouverture spirituelle" zu den Salzburger Festspielen widmet. Und es ist zugleich die zentrale Frage, die die letzte Saison von Intendant Alexander Pereira beantworten wird: Die Aufreger sind leidlich ausgekostet. Jetzt geht es darum, ob die künstlerische Bilanz in Summe Grund zum "euphorisch Feiern" geben wird.

Ein lachender Mann mit gelber Schürze schwingt einen hölzernen Hammer.
APA19371960-2_14072014 - SALZBURG - ÖSTERREICH: (v.l.n.r.) Alexander Pereira, Helga Rabl-Stadler, Hannes Bachmann und Sven-Eric Bechtolf am Sonntag, 13. Juli 2014, während des traditionellen Künstlerfestes anlässlich der Salzburger Festspiele im Gasthof Krimpelstätter in Salzburg. FOTO: APA/NEUMAYR/VOGL

Es sind die Festspiele der Weichenstellungen: Pereira wechselt an die MailänderScala. Der Interimschef Sven-Eric Bechtolf, der die Festspiele 2015 und 2016 mit Präsidentin Helga Rabl-Stadler leiten wird, steht in den Startlöchern. Und der künftige Intendant Markus Hinterhäuser plant bereits für 2017. Heuer aber sind es die letzten Pereira-Spiele, und diese werden auf einige Zeit die spektakulärsten und aufwendigsten bleiben.

Denn ab 2015 treten die Festspiele, die zuletzt vom Streit um die eigene Größe geprägt waren, auf die Bremse. Das Programmangebot wird zurückgefahren, und es wird auch weniger Karten geben. Die "Ouverture spirtuelle" ist ebenso gestrichen wie der Festspielball.

Bilder: Höhepunkte 2014 in Salzburg und im TV

Plácido Domingo und eine Frau posieren vor einem gemusterten Hintergrund.

GERMANY OPERA
Vier Personen beim Anstich eines Bierfasses der Brauerei Augustiner Bräu.

SALZBURGER FESTSPIELE: KÜNSTLERFEST IM GASTHAUS KR
Ein Mann mit langen, dunklen Haaren und Lederjacke steht an einem Treppengeländer.

Ein Dirigent mit Frack und Orden dirigiert ein Orchester.

BALL DER WIENER PHILHARMONIKER 2012
Eine Frau schreit, während ein Mann mit Hut und Stock daneben steht.

GERMANY MUSIC OPERA
Zwei Opernsänger in historischen Kostümen auf der Bühne.

GERMANY MUSIC OPERA
Ein Dirigent mit Brille und grauem Haar dirigiert ein Orchester.

Maestro Welser-Moest conducts the Vienna Philharmo
Zwei Frauen posieren lächelnd vor einer Stadtkulisse.

Eine Frau im weißen Kleid spielt mit Seifenblasen vor einem schwarzen Hintergrund.

Honorarfrei für aktuelle Berichterstattung…
Drei Männer posieren vor einer Wand für ein Foto.

Eine Gruppe von Menschen watet barfuß in einem flachen Wasserbecken vor einem Gebäude.

Zwei Männer posieren vor einer dunklen Holzwand.

Ein Mann trägt eine Frau in einem roten Kleid auf seinen Schultern auf einer Bühne.

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "JEDERMANN"
Eine Theaterszene mit Schauspielern auf und um eine Metallkonstruktion, einer davon blutverschmiert.

Eine Gruppe junger Menschen posiert in roten T-Shirts für ein Gruppenfoto.

Blick auf das Große Festspielhaus in Salzburg mit der Festung Hohensalzburg im Hintergrund.

DAS GROSSE FESTSPIELHAUS IN SALZBURG IST 50 JAHRE
Eine Frau in einem roten Kleid singt vor einem Mikrofon auf einer Bühne.

Elina Garanca in Göttwweig
Ein Dirigent leitet ein Orchester mit erhobenen Händen und einem Taktstock.

Italian director Riccardo Muti conducts a concert
"Jedermann": Kampffeiern bis zum Weltgericht

Rudolf Buchbinder während eines Benifizkonzertes.
Menschenmenge vor dem Festspielhaus in Salzburg mit Blick auf die Festung Hohensalzburg.

SALZBURGER FESTSPIELE 2012: BESUCHER

Heuer aber gilt noch einmal: nicht weniger, sondern mehr ist mehr. Am Beginn steht die "Schöpfung": Am Freitag, 18.7., startet mit Bernard Haitink am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks die "Ouverture spirituelle", das Konzert-Vorprogramm zu den Festspielen. Es folgt der "Jedermann" (Premiere: Samstag), Cornelius Obonya geht in der Inszenierung von Julian Crouch und Brian Mertes in die zweite Spielzeit. Die kommende Woche ist geprägt von Konzerten mit Klassik und Sufi-Musik.

Eine Frau mit roten Haaren tanzt mit einem roten Tuch.
Jedermann 2014 • Brigitte Hobmeier (Buhlschaft) Download-Größe: 2194408kB Keine Honorarpflicht bei aktueller Berichterstattung über die Salzburger Festspiele und Nennung des Fotocredits. © Salzburger Festspiele / Forster

Und rund um die offizielle Eröffnung am 27. Juli gibt es die ersten der ganz großen Highlights. So geht mit "Don Giovanni" der Mozart/Da Ponte-Zyklus in die zweite Runde. Regie führt abermals Sven-Eric Bechtolf; Dirigent ist erneut Christoph Eschenbach. Ab 2015 kommen neben Eschenbach auch Dan Ettinger bei "Le nozze di Figaro" und Alain Altinoglu bei der "Così"-Wiederaufnahme zum Zug. Heuer steht am 28. Juli auch noch eine Uraufführung an: "Charlotte Salomon" von Marc-André Dalbavie (auch Dirigent) und in der Inszenierung von Luc Bondy.

Zum Strauss-Jahr gibt es einen neuen "Rosenkavalier" (Regie: Harry Kupfer, Dirigent: Franz Welser-Möst).

Ein Top-Spektakel wird Verdis "Il Trovatore" in der Inszenierung von Alvis Hermanis, mit Dirigent Daniele Gatti und den Superstars Anna Netrebko sowie Plácido Domingo. Im Schauspielbereich stehen Kraus’ "Die letzten Tage der Menschheit" im Zentrum; auf dem Konzertsektor bittet Starpianist Rudolf Buchbinder mit allen 32 Beethoven-Klaviersonaten zu einem Marathon.

Ein Mann in einem Anzug wird von einer weiß geschminkten Person mit einem Tuch angegriffen.
Das jährliche Sterben auf dem Domplatz: Cornelius Obonya ist zum zweiten Mal Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“; als Tod holt Peter Lohmeyer den reichen Mann zu sich ins Jenseits

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