James Blunt steht vor dem Anwesen der 2016 verstorbenen US-Schauspielerin Carrie Fisher in Los Angeles und weint. Just in dem Moment kommt eine Gruppe von Promijägern daher, die eine dieser Touren zu den Villen der Stars in Beverly Hills gebucht haben. Ihr Guide kommentiert: "Wie man sieht, rührt Fishers Tod ihre Fans immer noch zu Tränen."
"Es war ein blöder Zeitpunkt, um zu weinen", erinnert sich Blunt im KURIER-Interview. "Aber Carrie war meine beste Freundin. Ich habe sie im Flugzeug kennengelernt, als ich nach L.A. flog, um mein erstes Album aufzunehmen. Sie hat mich spontan eingeladen, bei ihr zu wohnen. Seitdem habe ich in Los Angeles immer bei ihr gewohnt. Sie kannte all meine Geheimnisse, und ich war tief getroffen, als sie starb."
Entschuldigung
Nicht nur deshalb hat Blunt seiner "amerikanischen Mum", die mit Depressionen und Drogenproblemen kämpfte, auf seinem neuen Album "Who We Used To Be" den Song "Dark Thought" gewidmet. Darin entschuldigt er sich, dass er nicht immer für sie da war.
"Ich habe manche von ihren Problemen mitbekommen, aber manches hätte ich vielleicht als Freund ansprechen können, um ihr zu helfen. Ich wollte schon lange ein Lied für sie schreiben, es gelang mir aber erst, nachdem ich voriges Jahr in L.A. bei ihrem Anwesen war, um zu sehen, ob ich dort noch etwas von ihr spüren kann."
Der Song zeigt, wie Blunt mit "Who We Used To Be", das gutes Songwriting, aber im Sound keine Überraschungen bietet, thematisch tiefer geht als bei vergangenen Alben. "Ich hatte viel zu sagen, weil sich in meinem Leben gerade viel ändert", sagt er. "Meine Eltern sind alt und ich denke nach, wie ich für sie sorgen kann. Ich habe eine Frau und Kinder und Verantwortung für andere."
Selbstsucht
"Glow" heißt der Song von "Who We Used To Be", in dem Blunt zauberhafte Momente mit seinen Kindern besingt. Hat er Ängste in Bezug auf ihre Zukunft?
"Natürlich. Die Welt ist zum Scheitern verurteilt. Ich glaube, es gibt keinen Weg mehr, all die Probleme zu lösen. Die menschliche Natur erlaubt es nicht, die Selbstsucht im alltäglichen Leben und das Verschwenderische zu überwinden. Wir bewegen uns nicht schnell genug vorwärts, weil unsere Politiker nur kurzfristig denken, weil es ihnen nur um die nächste Wahl geht."
Das nostalgische Feeling der Songs kommt nicht von dieser Überzeugung, sondern davon, dass er sich angesichts der Umbrüche in seinem Leben an seine Jugend erinnert hat: "Ich dachte an die unschuldige Naivität von damals, an meine Träume und Hoffnungen. Auch an die Naivität der Welt. Wir sind damals viel menschlicher miteinander umgegangen, weil wir noch keine Sozialen Medien hatten, wo die Leute ihre Meinungen so aggressiv kundtun, und unsere Politiker versuchen, uns zu spalten."
Diese Aggressivität bekam Blunt zu spüren, nachdem sein Debüt-Album "Back To Bedlam" aufgrund des Superhits "You’re Beautiful" 2004 um die Welt ging. Er verkaufte über zehn Millionen davon, aber im Netz schlug im Hass entgegen.
"Es hat mich aber überrascht, wie ätzend manche Journalisten dann plötzlich waren. Hey, das ist nur Musik, warum seid ihr so aggressiv? Andererseits war ich permanent im Radio, den Leuten wurden meine Songs aufgezwungen. Und meine Musik ist nicht cool. Ich schreibe nicht über schnelle Autos oder teure Uhren. Ich schreibe über Angst, Freude, Liebe und den Verlust von Liebe – über all das, was Menschen auf der Straße bewegt."
Selbstironie
Kritikern begegnet Blunt jetzt mit Selbstironie, macht sich in seinen Social-Media-Beiträgen über sich selbst oder Internetrüpel lustig: "Das ist der einzige Weg, der auf sonst so hässlichen Plattformen Sinn macht."
2014 hat er ein Buch mit seinen Social-Media-Posts herausgebracht. Jetzt ist sein zweites Buch "Loosley based on a made-up story" erschienen – eine Autobiografie, die "nicht ganz wahr" ist. Wo sie wahr ist, und wo nicht, lässt Blunt im Buch und im Interview offen. Das hat ihm sein Anwalt geraten.
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