James Baldwin: Eine biblische Schlacht

Die Neuübersetzung des Romans "Von dieser Welt" sollte für die Wiederentdeckung des Afroamerikaners sorgen

Es ist keine große Befriedigung, wenn man aufschreibt, was alle, alle aufschreiben, einstimmig. (Kritiken müssen dem Kritiker schon auch ein bisschen Lust bereiten, sonst staubt Germanistendeutsch aus den Zeilen, und  sie  werden verbissen, anstatt sich tänzelnd der Seele eines Buches zu nähern.)
Aber es hilft nichts.
James Baldwin ist groß. Zum Variieren: Er ist wuchtig, archaisch  fast.
Er gehört wiederentdeckt bzw. endlich entdeckt – selbst jenen, die sich in der Literatur auskennen, müssen Baldwins Romane und Essays (allesamt vergriffen) nicht bekannt sein.
Jetzt wird’s Zeit, er starb vor 30 Jahren, und dtv beginnt neue Übersetzungen mit „Von dieser Welt“.
Not Your Negro!Geschrieben um 1952 in einem Dorf im Schweizer Kanton Wallis: Nach Europa, vor allem nach Paris, hatte er sich „selbstexiliert“, im rassistischen Amerika konnte er sich als Autor nicht entwickeln, sondern nur aufpassen, nicht   von Weißen umgebracht zu werden. (Nach seiner Rückkehr nach New York, dann als anerkannter Schriftsteller, engagierte sich Baldwin für Bürgerrechte, „I Am Not Your Negro!“).
„Von dieser Welt“ ist recht autobiografisch, nicht cool drüberstehend, sondern schrecklich leidend.  Beim Schreiben hörte Baldwin Schallplatten von Bessie Smith, um nicht zu vergessen,wie die Finsternis raunt.
 Erster Satz:
„Alle hatten immer gesagt, John werde später einmal Prediger, genau wie sein Vater.“
Und das wollte John ganz sicher nicht: so werden wie der prügelnden, verhasste Vater in Harlem, der seinen beiden Buben nur eines erlaubte – nämlich zu beten.
Das Buch ist ein Kampf, hin und her, damit er, der 14-Jährige, überhaupt keine Freude mehr für irgendetwas empfindet, nur mit Jesus soll er fortan reden. Am Ende erfolgt, und das ist wie eine biblische Schlacht, die Erweckung. Es wird nicht ausdrücklich gesagt, aber man ahnt, John wird kein Baptistenprediger. Seine Erlösung bedeutet, er hat sich losgelöst.


James
Baldwin:
„Von dieser Welt“
Vorwort von
Verena Lueken.
Übersetzt von
Miriam
Mandelkow.
dtv.
320 Seiten.
22,70 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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