Die zwei Seiten der dritten Generation

Die zwei Seiten der dritten Generation
Ein Trio aus Wien reiste in den Nahen Osten, um dort Jugendliche in Israel und Palästina zu porträtieren.

Israel und Palästina. Zwei Länder, eine Geschichte, ein jahrzehntelanger Konflikt. Sieht man Artikel aus der Gegend, liest man von Bomben, von Toten, von Terroranschlägen. Das "normale" Leben auf beiden Seiten wird in den Medien selten gezeigt. Umso spannender ist ein Projekt von drei ehemaligen Schülern der Graphischen in Wien, die sich für ihre Diplomarbeit unter anderem damit beschäftigten und das Buch "3rd Generation" mit Fotos, Interviews und Porträts aus der Konfliktregion nun im Eigenverlag veröffentlichen.

Den Anfang nahm das Projekt bei einem internationalen Sommerprogramm in Israel, erzählt Mafalda Rakoš im Interview. Daran teilgenommen hat damals Iuna Vieira, eine der zwei Fotografinnen, die gerade in Holland studiert. Dort lernte Vieira Jugendliche und ihre Geschichten aus Israel und Palästina kennen. Als sie zurück in Wien ihre Erlebnisse schilderte, war die Idee zur Diplomarbeit geboren: „Warum machen wir nicht die gleichaltrige Perspektive zu dem Konflikt?“. Gesagt, getan. Nachdem Eltern und Lehrer der damals 17-jährigen Schüler überzeugt und die Bürokratie überwunden war, reisten die beiden Fotografinnen einen Monat in den Nahen Osten. Rakoš nach Palästina und Vieira auf israelisches Hoheitsgebiet, Reichl schaute sich zwei Wochen das Land an.

FarmVille & Fortgehen

Die zwei Seiten der dritten Generation

Dass die drei nicht aus religiösen Gründen, sondern aus persönlichem Interesse in die Gegend kamen, „hat die meisten Leute dort überrascht. Sie sind uns deswegen aber sehr entgegen gekommen und waren irgendwie froh, dass ihnen jemand zugehört hat“, beschreibt Reichl die ersten Erfahrungen seiner Reise.

„Überrascht“ war auch Rakoš, die sich vorab informierte und von der Intifada, Checkpoints und Bomben las, „wie easy ich dann in den West Banks rumfahren konnte“. Getroffen haben die drei auf ihrer Reise Jugendliche zwischen 15 und 25 - die 3. Generation nach der Gründung des Staates Israel trifft auf die 3. Generation nach dem 2. Weltkrieg, daraus folgt auch der Name des Buches. „Damit konnten wir eben auch über Sachen reden, die jeden in dem Alter betriffen. Justin Bieber diskutieren oder FarmVille spielen zum Beispiel“, erklärt Rakoš. "Und Fortgehen" ergänzt Reichl.

Der Blick auf den Konflikt

"Es ist schwierig da Allgemein etwas zu sagen. Es ist eine Stimmung der Macht- und Hilflosigkeit. Es kommen viele Beschreibungen wie sie unterdrückt werden. Aber es gibt auch welche, die damit nichts mehr zu tun haben wollen, dann wieder welche die politisch sind." erzählt Rakoš über die palästinesische Seite. Das zeigen auch die Fotos mit den dazugehörigen Wortmeldungen bzw. Geschichten, die im Sinne der Internationalität in Englisch gehalten wurden, im Buch.

Das Buch selbst ist zweigeteilt, aber miteinander verbunden (siehe Video). Das eine zeigt die israelische, das anderen die palästinensische Perspektive. „Wir wussten nicht, ob wir Israelis und Palästinenser einfach zusammenmischen sollten, oder klar voneinander trennen. Beides erschien uns irgendwie falsch – deshalb haben wir uns für ein Doppelbuch entschieden, in dem sie zwar eigenständig, aber trotzdem miteinander verbunden sind“, erklärt Grafiker Reichl seine Idee.

Das normale Leben

Die Menschen, die sie porträtierten, haben sie über teils über Freunde von Vieira und über Couch-Surfing-Plattformen gefunden. Zeigen die Bilder die Menschen in den Alltagssituationen - und damit auch Eindrücke aus dem Land, die man sonst so gut wie nie zu sehen bekommt, geht es in den Interviews viel um den Konflikt. Aber auch um das normale Leben, das auch Rakoš überraschte, als sie in der West Bank angekommen war. „Baby TV, Pizza backen, Oma besuchen, Ausflug zum Toten Meer. Heile Welt quasi.“

Auf israelischer Seite kam es laut Reichl darauf an, wo sie waren. Ist es für Jugendliche in Rechovot, nahe dem Gazastreifen, normal, fast täglich in den Luftschutzbunker zu müssen, passiere in Tel Aviv eigentlich gar nichts. „Dort sind die Touristen, auf dem Strand läuft Gemütlichkeit und Party“, erzählt der Grafiker.

All diese Geschichten liest und sieht man auch in dem Buch „3rd Generation“, das das Trio im Eigenverlag drucken ließ. Es vermittelt ein besonderes Gefühl, zeigt einen persönlichen, nahen und bisher selten gesehenen Blick auf den Nahen Osten, die Menschen und den Konflikt, der seit mehr als 60 Jahren das Gebiet dominiert.

Info: Book-Release-Party am Donnerstag, den 2.4., ab 17:00 in der pinacoteca22 | Große Neugasse 44, 1040 Wien.

Link: www.facebook.com/3rdGeneration

Kommentare