Statt Podesten und Stellwänden gibt es Hohlziegel, unverputzt. Bei manchen Dingen, die auf ihnen präsentiert werden, ist nicht ganz klar, ob sie schon vor langer Zeit abgelegt wurden oder ob sie erst für ihren „Einsatz“ im Kunstfeld klar gemacht werden: Iris Andraschek lässt Werke öfters liegen, holt sie wieder hervor, adaptiert sie und formt um.
Das Werkstättenhafte, vordergründig Ungeordnete und doch Praktische kommt auch in vielen Fotografien der 1963 im Waldviertler Horn geborenen zu Kunst-Ehren – etwa in Bildserien, in denen sie alternative Bauern-Gemeinschaften in Österreich und anderswo ins Bild rückte.
Heute, wo viel von Kollektiven, Alternativen und politisch engagierter Kunst die Rede ist, wirken Andrascheks Arbeiten hochgradig zeitgemäß. Tatsächlich reichen die Wurzeln ihrer Arbeit aber in die ebenfalls konzeptuell-politisch bewegten 1990er Jahre zurück. Die Retrospektive im Linzer Lentos, die sogar noch früher, bei ersten Zeichnungen und Erkundungen, ansetzt, erlaubt hier, Verbindungen, Parallelen und Unterschiede zu sehen.
Bewusst solo
Andraschek wird dabei bewusst als Solokünstlerin präsentiert: Die zahlreichen Werke, die sie mit ihrem Partner Hubert Lobnig realisierte, standen 2018/’19 im Fokus einer Schau in Kärnten und bleiben großteils ausgespart.
Das Werk der Künstlerin reicht von der Fotografie zur Skulptur bis zur Aktion – müsste man alles mit einem Wort zusammenbinden, wäre wohl der Begriff „Realismus“ der passendste Begriff. Ein Interesse am echten Leben treibt viele der Künstlerinnen an, mit ihrem Bestreben, die Welt mit künstlerischem Blick zu erkunden, kommt vielleicht das Ehepaar Helmut & Johanna Kandl als geistesverwandt in den Sinn.
Ästhetisch geht Andraschek freilich ganz eigene Wege: Virtuos handhabt sie etwa Handschrift und Zeichnung, um Interviews – mit Geflüchteten oder mit Pflegekräften etwa – in eine bildhafte Form zu bringen, dem Gesagten Präsenz und Würde zu verleihen.
Ungewohnte Perspektive
Eigentümlich und dabei großartig ist auch Andrascheks Umgang mit der Fotografie: Hier lichtet sie ihre Sujets – oft Jugendliche oder gesellschaftliche Außenseiter – aus ungewohnten Perspektiven ab und nutzt händisch vor die Linse gehaltene Filter zur Verfremdung. Die resultierenden Bilder sind vordergründig alles andere als „perfekt“, in sich aber dann doch absolut stimmig und stark.
Bis zu dem Moment, an dem Andraschek ein Bild macht, vergehen aber oft lange Zeiten der Recherche und Auseinandersetzung. Dem ist es zu verdanken, dass nichts Exotisierendes oder gar Voyeuristisches zu spüren ist, wenn die Künstlerin etwa über Jugendliche arbeitet, die sich im Suff gegenseitig mit zotigen Sprüchen beschriften und Fotos davon in sozialen Medien posten.
Die Botschaft, dass es oft besser ist, zu reflektieren, als schnell zu urteilen, nimmt man als Besucher aus der Ausstellung mit. Die Idee mag offensichtlich scheinen, umzusetzen ist sie schwer – eine Kunstpraxis von der Art, wie Andraschek sie mittlerweile seit Jahrzehnten lebt, kann als Inspiration dienen.
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