Hommage an einen Sammler
Bilder vom Boden bis zur Decke, kein Zentimeter leere Wand, Raffaels "Heilige Margarete" an einen Stuhl gelehnt, Giorgiones "Philosophen" in schwindelerregenden Höhen, Tizians Kirschenmadonna zwischen sechs anderen Gemälden.
Keine Sorge: Es gibt keine neue Hängung im Kunsthistorischen Museum (KHM). Das oben beschriebene ist kein realer Raum, sondern selbst ein Bild. Es stammt von David Teniers d. J., entstand um 1650 und gehört zur Gattung der Galeriebilder. Und derzeit ist es Herzstück und Ausgangspunkt der aktuellen "Intermezzo"-Schau im KHM.
Dieses Jahr bietet der 400. Geburtstag Erzherzog Leopold Wilhelms Anlass, einem der "Väter" der kaiserlichen Kunstsammlung quer durch die Bestände nachzuspüren. Obwohl nicht sehr bekannt, hat er einiges vorzuweisen: Er bekleidete mehrere Bischofsämter, diente als Oberbefehlshaber der Truppen im Dreißigjährigen Krieg, war Statthalter der spanischen Niederlande und schrieb nebenbei noch italienische Poesie.
Impressionen der Ausstellung
Grundstein
Vor allem aber leistete er als Kunstsammler und Mäzen einen beträchtlichen Beitrag zur Kunstsammlung der Habsburger. Er erwarb über 500 Kunstkammerstücke, 1400 Gemälde und 350 Zeichnungen, darunter Meisterwerke von Raffael, Rubens, Tizian und Giorgione sowie damals zeitgenössische Werke der Barockmalerei und -bildhauerei.
In der Ausstellung sind einige jener Werke nun erstmals wieder auf einen Blick vereint – und das in einer Weise, die sich vorsichtig an die barocken Konventionen der Sammlungspräsentation herantastet. Als Inspiration diente dem Kuratorenteam dabei die sorgfältige visuelle Dokumentation der Sammlung, die Erzherzog Leopold Wilhelm – getrieben von einer Mischung aus Ordnungsliebe und Repräsentationswillen – vom Hofmaler Teniers durchführen ließ. Mit dem ersten druckgrafischen "Sammlungskatalog" der Welt legte er den Grundstein für kunsthistorische Vorgehensweisen, die im darauffolgenden Jahrhundert verbindlich wurden. Zum ersten Mal versuchte man hier etwa die Einteilung in Schulen, die noch heute die räumliche Gliederung des KHM bestimmt.
Zusätzlich gibt es seine ganze Reihe von Galeriebildern: Diese fiktive Ausstellungsansichten wurden im Zuge einer barocken Werbekampagne an die großen europäischen Fürstenhöfe verschickt, um den Ruhm der Sammlung zu mehren. Sie zielten darauf ab, so viele Kunstwerke wie möglich in einem Bild unterzubringen.
Dabei gehen sie mit den realen Maßen der Bilder mitunter recht freizügig um. "Es wäre gar nicht möglich, die Bilder genauso zu hängen wie auf dem Gemälde", erklärt Kuratorin Gerlinde Gruber. Außerdem hätte sie es nicht übers Herz gebracht, wichtige Bilder wie Giorgiones Philosophen in schier unerreichbare Höhen zu verbannen.
Stattdessen ist der Museumsbesucher eingeladen, die Spuren Erzherzog Leopold Wilhelms auch in der Dauerausstellung weiterzuverfolgen. Aufkleber markieren seine Ankäufe – und beweisen, dass das KHM ohne Erzherzog Leopold Wilhelm um nicht wenige Museumshighlights (Brueghels Turm zu Babel, Rubens Gewitterlandschaft, die Hälfte der ausgestellten Tiziane) ärmer wäre.
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