Vom Herbst 1945 an studierte sie – zunächst in Innsbruck, dann in Wien. Weil der Vater illegaler Nazi gewesen war, durfte er zunächst nicht wieder als Lehrer arbeiten. Er hatte aber seine Lektion gelernt. Gleich zweimal zitiert Heinz Bachmann in seinem Buch „Ingeborg Bachmann, meine Schwester“ dessen Satz: „Ich verfluche diese Zeit.“
Ob der finanziell schwierigen Lage sei es erstaunlich gewesen, dass die Eltern die Studienwahl (u. a. Germanistik, Philosophie, Psychologie) nicht infrage gestellt hätten: Ingeborg Bachmann nahm eben eine Sonderstellung ein. „Ich erinnere mich“, schreibt Heinz Bachmann, „dass unsere Mutter immer besonders nervös wurde, wenn die ,große Tochter‘ im Anreisen war“. Denn: „Sie ist eine Dichterin.“ Und dann hatte es still zu sein im Haus: „Das vertraute Klappern ihrer Schreibmaschine war unüberhörbar.“
Wien, Paris, Berlin, Rom
Die mit ihren Gedichten und Hörspielen berühmt werdende Schriftstellerin – sie zierte bereits 1954 das Cover des Spiegels – zog immer wieder in eine andere Stadt: „Es war ein atemberaubender Wirbel von Geschehnissen in Ingeborgs Leben.“ Und Heinz Bachmann, der Geologie studierte, verschlug es in andere Teile der Welt. Er hat daher nicht sehr viel zu berichten.
Und er versagt sich in der Regel Kommentare: Die Beziehung zu Hans Weigel erwähnt er nur en passant, über Paul Celan vermerkt er, dass dieser „wohl die wichtigste Rolle in Ingeborgs Leben spielte“. Doch 1958 besuchte er seine Schwester in Paris. Eines Tages gab sie ihm Geld, damit er allein herumstreife. Denn an jenem Abend lernte sie Max Frisch kennen.
Über den Schweizer Autor äußert sich Heinz Bachmann sehr distanziert: „Ganz allgemein fehlte es an Herzlichkeit.“ Max Frisch sei keine vor Witz und Charme sprühende Person gewesen. „Meine Schwester dagegen stand oft im Mittelpunkt, war immer bereit, amüsante Anekdoten zu erzählen.“
1963 fand die Autorin das Tagebuch von Frisch und lief ob der Einträge über sie (Material für „Mein Name sei Gantenbein“) „völlig verstört zu ihrem Psychiater“. Dieser hätte es ihr weggenommen: Heinz Bachmann hält die Behauptung der Schwester, es verbrannt zu haben, „bis heute für eine Notlüge“. Margarethe von Trotta hingegen lässt Vicky Krieps das Heft verbrennen – in ihrem Film „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ (im Kino) über die destruktiven Jahre mit Frisch.
1964 nahm Adolf Opel die Autorin mit nach Ägypten, danach schien diese, wie Heinz Bachmann vermerkt, wieder optimistisch. Eine Fehleinschätzung. Bei einem Besuch 1967 in Rom erzählte Ingeborg Bachmann ihrem Bruder von psychischen Problemen: „Mit der Trennung von Max Frisch muss sich der Verbrauch der Tabletten stark gesteigert haben. Inzwischen war Ingeborg davon abhängig geworden.“ Aber er hätte nur von Mogadon gewusst.
Und das wurde der Autorin zum Verhängnis. Sie war Ende September 1973 mit einer Zigarette im Badezimmer eingeschlafen und hatte sich schwerste Verbrennungen zugezogen. Im Krankenhaus stellten die Ärzte Entzugserscheinungen fest, die sie nicht verstanden: Heinz Bachmann, eilig aus Dakar angereist, und seine Schwester Isolde suchten in der Wohnung verzweifelt nach einem „Schlüsselmedikament“ – und fanden nichts außer Mogadon. Ingeborg Bachmann starb am 17. Oktober.
Der Wirbel in ihr selbst
Illustriert ist das Buch mit zahlreichen Fotos – aus Familienbesitz. Manche hat Heinz Bachmann geschossen (u. a. 1962 in Rom). Auf diese stößt man auch, ergänzt um weitere Porträts und in weit besserer Druckqualität, im Bildband „Ingeborg Bachmann. Spiegelungen eines Lebens“, von Uta Degner chronologisch nach Themen geordnet.
Und so geht es auch hier nur um das Bild – und nicht um die Literatur. Daher ein Tipp: Der Roman „Malina“ ist schwer zu lesen, der Band „Simultan“ aber schlicht großartig. Gerade für die titelgebende Erzählung trifft Heinz Bachmanns Resümee zu: „Es war ein Wirbel, der nie aufhörte. Und sicher war der Wirbel auch in ihr selbst.“
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