Information als Knackpunkt bei Kür des ORF-Generals
Knackpunkt bei der Wahl des neuen ORF-Generaldirektors am 9. August dürfte wohl die Information, insbesondere die TV-Information des ORF sein. Stiftungsräte von Regierung und Opposition sprachen sich in den vergangenen Monaten wiederholt für mehr Pluralismus und dezentrale Strukturen aus. Alexander Wrabetz und Richard Grasl kommen diesen Vorgaben nun in unterschiedlichen Ausprägungen nach.
Nach den der APA vorliegenden Bewerbungskonzepten der beiden aussichtsreichsten Kandidaten wird die Information in der kommenden Geschäftsführungsperiode jedenfalls massiv umstrukturiert beziehungsweise in der bisherigen Form aufgelöst. Weder der von der SPÖ unterstützte amtierende ORF-Chef Wrabetz noch der von der ÖVP favorisierte Finanzdirektor Grasl setzen dabei auf einen zentralen Informationsdirektor oder Chefredakteur für alle Medien. Bei Wrabetz würden die Informationsfäden letztlich beim Generaldirektor selbst zusammenlaufen, bei Grasl bei den Direktoren für TV, Radio und Online.
Wrabetz' Channel-Strategie
Im Mittelpunkt von Wrabetz' Info-Strategie steht die sogenannte Channel-Struktur mit eigenen Channel-Managern und Chefredakteuren für ORFeins, ORF 2, ORF III, Ö1, Ö3, FM4 und ORF On. "Dadurch wird ein Höchstmaß an pluralistischen Zugängen sichergestellt", schreibt Wrabetz in seiner Bewerbung. In Wrabetz' Zielstruktur berichten Channel Manager und ihre Chefredakteure an den Generaldirektor und sind organisatorisch dort angedockt. "Unabhängigkeit, Objektivität, Vielfalt und Darstellung der Meinungspluralität sind die entscheidenden Qualitätsparameter für die ORF-Information", so der ORF-General.
Auch bei Grasl sollen die einzelnen Kanäle eigene Chefredakteure bekommen. Sie unterstehen allerdings den einzelnen Fachbereichsdirektoren. "Klar ist damit, dass es keine/n zentrale/n Informations-Verantwortliche/n geben soll und mit mir als Generaldirektor auch nie geben wird, sondern die Informations-Verantwortung hochrangig und pluralistisch (über drei Direktionen verteilt) wahrgenommen wird", schreibt der Finanzdirektor in seiner Bewerbung. "Die Trennung von TV-Radio- und Online-Information sorgt für breiten Binnenpluralismus. In jedem einzelnen Channel werden unabhängige ChefredakteurInnen eingesetzt, was den Binnenpluralismus noch weiter stärkt."
Grasl will Informationsdirektor zurück
Für den Bereich der Fernseh-Information sieht Grasl die Wiedereinführung eines Informationsdirektors vor: "Das Comeback der TV-Informationsdirektion stellt einen der zentralen Punkte meines strukturellen Konzepts dar. Völlig berechtigterweise stellt diese Funktion die vermutlich im politischen Spektrum am stärksten im Fokus stehende dar. Ich werde daher im Rahmen des Bewerbungsverfahrens dafür eine/n für alle als unabhängige/n, kompetente/n und auch über Parteigrenzen hinaus unbestrittene/n Kandidat/in nominieren, da alleine durch die Auswahl dieser Person die Glaubwürdigkeit der TV-Information determiniert wird." Der TV-Informationsdirektion würden bei Grasl neben den aktuellen Nachrichtenredaktionen auch die politischen TV-Magazine und Talk-Sendungen unterstehen. Dazu kommt die Abteilung Dokumentation und Zeitgeschichte sowie die TV-Sportredaktion.
Die Chefredakteure der einzelnen TV-Channels sind bei Grasl dem TV-Informationsdirektor unterstellt. Info-Direktion und die TV-Programmdirektion leiten auch gemeinsam die Channel-Manager, bei programmwirtschaftlichen und produktionstechnischen Agenden im Vier-Augen-Prinzip. Und der Generaldirektor soll laut Grasl keine Weisungen erteilen können. "In allen redaktionellen und journalistischen Fragen wird der/die TV-Informationsdirektor/in per Geschäftsordnung weisungsfrei gestellt", so Grasl. Gleiches gilt für die Radio- und von Grasl neu geplante Digitaldirektion.
Berichterstattungszeit über Opposition unterdurchschnittlich
Beide Kandidaten bieten auch gezielte Wahlanreize an die Stiftungsräte der Opposition. So kündigt Wrabetz etwa an, dass die "vor politischen Wahlen erfolgreich durchgeführten direkten Kandidat/innen-Konfrontationen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien fortgesetzt" werden. Diese bieten den kleineren Parteien im Wahlkampf ein hohes Maß an Medienpräsenz. Grasl wiederum begründet die Verlängerung der "ZiB 1" um fünf Minuten auch mit dem Umstand, dass die Redaktion so wieder mehr Möglichkeit habe, "Ideen und Konzepte auch der Oppositionsparteien stärker in die wichtigste Nachrichtensendung des Tages einzubinden, was zum besseren demokratischen Diskurs beiträgt". Durch die geringe Sendezeit der ZiB seien nämlich die Anteile der Oppositionsparteien an Berichterstattungszeit zuletzt unterdurchschnittlich geblieben. Im März 2016 lagen die Werte für FPÖ, Grüne, NEOS und das Team Stronach laut Grasl etwa jeweils nur auf 1 bis 3 Prozent der Berichterstattung.
Die Nachrichtenredaktionen des ORF sind für Grasl "die besten des Landes - objektiv und verlässlich, kritisch und tiefgehend". Nicht immer sei die Berichterstattung aber in den vergangenen Jahren in der "von mir gewünschten Qualität geglückt". Als Beispiele nennt er die Recherchepanne in der "Tempelberg-Affäre", lange Wartezeiten bis zum Start einer Info-Strecke bei den Anschlägen in Paris, die fehlenden Berichte über den Brexit-Entscheid in "Guten Morgen Österreich", die lähmenden Minuten durch "Weißblaue Geschichten" vor der Bekanntgabe des Wahlsieges bei der Bundespräsidentenwahl, den Solo-Auftritt von Ex-Bundeskanzler und Ex-SPÖ-Chef Werner Faymann bei "Im Zentrum" oder den TV-Duell-Ausschluss von Richard Lugner. "Es ist zu einfach, Kritik an der Information als ' Wahlkampf' abzutun. Ich denke, man muss sich Kritik generell stellen und auch die Zahlen analysieren: Die Marktforschungszahlen belegen nämlich, dass die Glaubwürdigkeit der ORF-Information seit dem Jahr 2015 deutlich gesunken ist."
Wrabetz verweist indes auf "hervorragende - im internationalen Vergleich einzigartige - Nutzungswerte". Die ORF-Information werde nicht nur auf breiter Basis genutzt, sie genieße auch sehr gute Imagewerte: 70 Prozent der Österreicher seien demnach der Meinung, der ORF "bietet gute, umfassende Informationen" (2014: 69) und 65 Prozent seien der Meinung, der ORF ist "seriös und vertrauenswürdig" (2014: 62 Prozent). "Die ORF-Information ist kritisch und konstruktiv", so der Generaldirektor.
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