Indie-Band Kreisky: Regionale Manufaktur für Genussmenschen

Indie-Band Kreisky: Regionale Manufaktur für Genussmenschen
Sänger Franz Adrian Wenzl und Drummer Klaus Mitter sprechen über Fehlinterpretationen der Texte und das neue Album „Atlantis“

„Wir hatten immer ein Problem mit der Interpretation unserer Songs“, erinnert sich Franz Adrian Wenzl, Sänger der Band Kreisky. „Zu dem Song ‚Dow Jones‘ sagte mir ein Konzertbesucher: ‚Da geht es um den Kampf zwischen Kapitalismus und Kommunismus‘. Aber nein, eigentlich beschreibt das nur eine normale private Situation.“

Ähnliche Probleme erwarten Kreisky auch bei ihrem heute erscheinenden Album „Atlantis“. Darauf beschäftigt sich das Quartett mit versunkenen Träumen und verlorenen Idealen. Speziell bei „Atlantis“ würde Wenzl aber gerne die Überinterpretation seiner Texte von der Konzentration auf die Songs als Gesamtkunstwerke abgelöst sehen. „Auf dieser Platte fügen sich das Vokabular, das wir uns als Band aufgebaut haben, die Verbindung von Text und pophistorischer Symbolik und die Wirkung verschiedener Sounds zu einem meiner Meinung nach exzeptionellen Ganzen zusammen“, so Wenzl, der auch aus Austrofred auf Tour ist und Bücher schreibt, im Interview mit dem KURIER.

Indie-Band Kreisky: Regionale Manufaktur für Genussmenschen

Tatsächlich ist Kreisky mit diesem sechsten Album ein hervorragendes Werk gelungen, das mit einem nie da gewesenen Variantenreichtum im Sound punktet. Noiserock verschmilzt mit Pop und sanften psychedelischen Einflüssen, während die Texte Alltags-Storys aufgreifen.

„Generell geht es bei dem Album um verschiedene Stadien zwischen dem Idealismus der Jugend und der späteren Abgebrühtheit“, erklärt Wenzl. „Darum, dass man als Jugendlicher die Welt oft schwarz/weiß sieht, was aber auch eine Sichtweise ist, mit der man etwas weiterbringt. Natürlich braucht es auch das Alter, um Dinge einordnen zu können. Aber wenn man sich ein bisschen von der jugendlichen Power bewahren kann, ist das schon toll.“

So geht es in „Ein Fall fürs Jugendamt“ um die Demotivation durch die Familie und in „Abfahrt Slalom Super-G“ um einen nach einem Unfall isolierten Patienten, der in Marcel Hirscher einen ähnlich isolierten Verbündeten sieht. Hauptfiguren in der Single „Kilometerweit Weizen“ sind „online gebildete“ Jugendliche, die aufs Land kommen, sich dort fremd fühlen und dadurch vom Opfer zum Täter werden.

Die Interpretation, das sei ein Kommentar zum Thema Flüchtlingskrise, geht Wenzl aber schon zu weit. „Die ist schon schlüssig. Aber ich gehe nicht von so einer Botschaft aus. Ich mache Musik, weil ich sie liebe. Das könnte auch instrumental sein. Jetzt bin ich halt Sänger, schreibe die Texte und muss gute Zeilen finden. Dabei gehe ich aber nur von Menschen und Zuständen aus. Wenn sich die mit Gesellschaftlichem decken, freut mich das. Mein Interesse sind aber die Geschichten, die sich aus diesen Figuren entwickeln.“

Entstanden ist „Atlantis“ lange vor der Corona Krise. Die Aufnahmen waren schon im Februar 2020 abgeschlossen. Um mit dem exzeptionellen Album aber auch auf Tour gehen zu können, haben Kreisky die Veröffentlichung bis jetzt verschoben. Während Wenzl „keinen Stab“ über Kulturpolitik während der Krise brechen will, weil es „unheimlich schwierig sein muss, in so einer Situation Entscheidungen zu treffen“, wird Schlagzeuger Klaus Mitter diesbezüglich gerne deutlicher.

„Es läuft in der Kommunikation schon viel schief“, sagt er. „Der Eiertanz mit dem Freitesten, dieses ‚Wir warten noch zwei Wochen und dann sagen wir, wie es weitergeht‘, ist mühsam. Es wäre besser, gleich zu sagen: ‚Stellt euch darauf ein, es wird bis März, April nichts geben!‘ Zum Beispiel die Leute, die unsere Konzerte buchen: Sie verschieben sie immer wieder, bekommen aber erst bezahlt, wenn sie gespielt werden. Das ist alles Arbeit, die nicht bezahlt wird.“

Indie-Band Kreisky: Regionale Manufaktur für Genussmenschen

Als Band sind Kreisky gut durch die Krise gekommen. „Nicht, weil wir so bekannt sind, sondern genau aus dem gegenteiligen Grund“, lacht Mitter. „Wir sind so wenig erfolgreich, dass wir alle außer Franz, der von der Kunst lebt, Brotjobs haben. Nur deshalb hatten wir mit Corona keine Probleme. Aber das passt schon: Wir sind gern eine regionale Manufaktur, die Genussmenschen beliefert.“

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