"Indepencence Day – Wiederkehr": Die Rückkehr des Roland Emmerich
Roland Emmerichs Spektakel "Independence Day: Wiederkehr" eröffnet den diesjährigen Blockbuster-Sommer und man könnte dabei auf die naheliegende Idee kommen, dass Hollywood nichts mehr einfällt – außer diesem dünnen zweiten Aufguss eines Anti-Alien-Kriegsfilms. Doch hinter dem heißen Action-Spektakel steckt die Überlegung kühler Köpfe in den Chefetagen der Filmstudios: Man will eben mit solchen Sequels auf Nummer sicher gehen. Denn wer will schon 200 Millionen Dollar – und so viel hat Emmerichs "Wiederkehr" gekostet – in den Sand setzen.
Teil 1 des Spektakels, in dem Außerirdische ihre erste Invasion auf die Erde planten und dabei unter anderem das Weiße Haus in Washington attackierten, brachte weltweit die Kinokassen zum Klingeln. Kein Wunder also, dass Roland Emmerich diesen durchschlagenden Erfolg wiederholen will und zwanzig Jahre später die Erde noch einmal vor einer Alien-Invasion erzittern lässt.
Technik-Orgel
Laut Drehbuch, das Roland Emmerich mitverfasste, wurden inzwischen auf unserer Welt die nationalen Grenzen abgeschafft. Ein riesiges Verteidigungssystem soll diese politische Utopie vor außerirdischen Angriffen schützen – für Emmerich ein Anlass, alle Register der Science-Fiction-Technik-Orgel zu ziehen. Die zwanzig Jahre seit der ersten Alienattacke hatte er – gemeinsam mit seinem österreichischen Produzenten, Drehbuchautor und Komponisten Harald Kloser – sein Publikum mittels nicht minder fulminanter Tricks in verschiedene Zeitebenen katapultiert ("The Day After Tomorrow", "10.000 BC", "2012"), und uns gleich mehrmals an den Rand des Weltuntergangs geschickt.
Mit Teil 2 von " Independence Day" schickt er sein Kinopublikum in die eigene Vergangenheit, und man fragt sich angesichts der wenig originellen Story: Kann es sein, dass zwanzig Jahre vergangen sind und ich immer noch im selben Film sitze?
Aber das Denken ist in sommerlichen Action-Krachern wie diesem ohnehin nicht angesagt.
Text: Gabriele Flossmann
INFO: USA 2016.120 Min. Von Roland Emmerich. Mit Liam Hemsworth.
KURIER-Wertung:
Der Film erzählt von einem Vater und einer Tochter, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Winfried ist ein lebenslustiger Musiklehrer, der sein schiefes Spaß-Gebiss immer in seiner Brusttasche parat hat. Die eher kühle und kontrollierte Ines macht als Unternehmensberaterin Karriere und muss sich in der Männerwelt durchsetzen.
Zwei Lebensmodelle und zwei Generationen stehen in diesem Film auf dem Prüfstand. Lange scheint das Geschehen auf Kosten der Tochter zu gehen, während der Vater als rebellischer Alt-68er mit Hang zu abgründigen Rollenspielen die Sympathien des Publikums auf seiner Seite hat. Aber da man über Humor bekanntlich streiten kann, kommt es immer wieder zu Konflikten, wenn die Tochter die Scherze des Vaters nicht erträgt. Als sein alter Hund stirbt, besucht Winfried kurz entschlossen Ines bei ihrem aktuellen Projekt in Rumänien. Doch der unangekündigte Überfall führt zum Eklat. Winfried reist ab – und kommt als " Toni Erdmann" wieder: Mit Scherz-Gebiss, clownesker Perücke und Sonnenbrille sabotiert er allein schon durch sein Erscheinungsbild das berufliche Ansehen der Tochter.
Doch genau diese überdrehte und (vor-)laute Kunstfigur Toni Erdmann schafft es, Ines die Augen zu öffnen: Sie erkennt die Leere ihres Lebens, die grotesken Verhaltensweisen der Businesswelt – und dass sie hin und wieder auch Spaß haben sollte. Am Höhepunkt des filmischen Geschehens kommen den zeitgeistigen Yuppies rund um Ines des Kaisers alte Kleider abhanden und sie feiern in den "neuen Kleidern" eine absurde und vielleicht gerade deshalb allzu menschliche Party. Letztendlich stehen alle nackt da. Und dies buchstäblich.
Test: Gabriele Flossmann.
INFO: D 2016. 162 Min. Von Marion Ade. Mit Peter Simonischek, Sandra Hüller.
KURIER-Wertung:
Der Film des estischen Regisseurs Martti Helde erzählt von den ethnischen Säuberungen im Baltikum 1941 durch die Sowjets. Tausende Menschen in Estland, Litauen und Lettland wurden damals von den Sowjets aus ihren Häusern vertrieben. Ohne Prozess wurden die Männer in Gefängnisse geschickt, die Frauen und Kinder nach Sibirien verschleppt.
Im Mittelpunkt des auf Tatsachen basierenden Films steht die 27-jährige Erna, die damals ihre kleine Tochter und ihren Mann verlor. Die in grandiosen Bildern erzählte Geschichte ist mit Zitaten aus ihren Briefen und Tagebuchtexten unterlegt, wodurch man als Zuschauer magisch ins grausame Geschehen hineingezogen wird. Im Film blitzen aber auch immer wieder Momente von Zivilcourage und Mitgefühl auf, die hoffen lassen, dass auch in Zeiten von Vertreibung, Flucht und Zerstörung der letzte Funke von Menschlichkeit nicht erloschen ist.
Der in schwarz-weiß gedrehte Film zeigt mit künstlerischer Raffinesse, dass in Sibirien, wohin Erna deportiert wurde, die Zeit eine andere Dimension hat. Während der anstrengenden Zwangsarbeit versucht Erna ihre ganz persönliche Freiheit des Geistes zu finden. In einem Tagebuch und in Briefen an ihren Mann, der ebenso unschuldig wie sie im Gefängnis sitzt, hält sie die Erinnerungen an das vergangene Glück fest.
Um dieses Festhalten zu illustrieren, setzte der Regisseur den Film aus "Tableau-vivant-Sequenzen" zusammen: Minutenlange Kamera-Einstellungen, in denen Menschen und Handlungen festgefroren scheinen. Zwei bis sechs Monate brauchte er allein für die Vorbereitung und Inszenierung jedes einzelnen dieser lebenden Fresken.
Erstarren
Mehr als dreihundert Personen durften sich bei Massenszenen nicht bewegen und mussten in präziser Haltung erstarren: Die Zeit steht still in den Jahren der Gefangenschaft – auch daraus erschließt sich die Ästhetik des Films. Schwierige Kinokost, die auf jeden Fall bereichert.
Text: Gabriele Flossmann
INFO: Estland 2014. 90 Min. Von Martti Helde. Mit Laura Peterson, Ingrid Isotamm.
KURIER-Wertung:
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