ImPulsTanz: Die chaotischen Kinder vom Olymp

Von Silvia Kargl
Zum Olymp führt Wim Vandekeybus in seinem im Vorjahr uraufgeführten Stück „Infamous Offspring“ bei ImPulsTanz im Volkstheater. Zwar gibt es tänzerische Höchstleistungen mit neun Performerinnen und Performern auf der Bühne, aber keine Medaillengewinner in diesem Szenario mit Tanz, Text (Fiona Benson), Musik und Film. Eine zeitgenössische Perspektive eröffnet vielmehr das Eintauchen in die Soziologie der mythologischen Götterwelt.

Zeus und Hera, dargestellt von den Schauspielern Lucy Black und Daniel Copeland, treten von der Filmleinwand aus in Streitgespräche und in Dialoge mit ihren Nachfahren. Mit dem blinden Seher Tiresias erscheint, ebenso im Film, ein mystischer Spielleiter. Verkörpert von der Flamenco-Legende Israel Galván, kommuniziert er in einer Staccato-Sprache, wobei er Flamenco-Schritte diesmal mit den Händen mittels Kastagnetten und Stiefeln auf einen Tisch hämmert.
Vandekeybus führt die Götter als egozentrische Wesen vor, jeder mit einer individuellen Körpersprache ausgestattet. So gelingen Porträts, die auf Episoden aus unterschiedlichen Überlieferungen antiker Mythen basieren. Hephaistos, Gott des Feuers, trägt seinen Konflikt mit seiner Mutter Hera durch das zweistündige Stück, wurde er doch wegen einer Behinderung nach der Geburt von Hera einst vom Olymp gestoßen. In dieser Rolle kommentiert Iona Kewney das Bühnengeschehen zusätzlich mit Live-Zeichnungen.

Animalische Bewegungen fließen in die bildstarke und expressive Choreografie ein. Einem Wolfsrudel gleich treten die Götter in Gemeinschaft auf, wenn es um Machtkämpfe, Rache und das Buhlen um Anerkennung geht. Besonders der Kriegsgott Ares, gespielt vom Schauspieler Adrian Thömmes, versetzt seine Familie als vom Hass getriebener Rabauke in Angst und Schrecken. Grenzenlos wüten diese Kinder des Olymps. Einzelne Tänzerinnen und Tänzer verkörpern gleich mehrere von ihnen.
Nur Apollo als Gott der Künste (Hakim Abdou Mlanao) reagiert in einem sanften Solo mit Rückzug in die Einsamkeit. Was Vandekeybus überzeugend gelingt, ist das Offenlegen der Strukturen einer Gesellschaft ohne jegliche Solidarität, in der die geballte Energie des Tanzes in einen dionysischen Rausch bis zur Zerstörung mündet.
KURIER-Wertung: Viereinhalb Sterne
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