Die Lust am tanzenden Fleisch

Zwei Männer stehen auf einer Bühne, während eine Frau im Hintergrund an einem Mischpult arbeitet.
Doris Uhlich. "more than naked" ist auch Kritik am Schönheitsideal.

more than naked“ – der Titel von Doris Uhlichs neuem Stück bei ImPulsTanz in der Halle G/ MuseumsQuartier hält, was er verspricht (noch zu sehen am 7. August). Alle 20 Tänzerinnen und Tänzer sowie Uhlich selbst sind nackt.

Für die Choreografin, die Anfang September in Wien mit dem „outstanding artist award“ des Kulturministeriums in der Sparte Darstellende Kunst ausgezeichnet wird, ist Nacktheit mehr als Kostümierung und keinerlei Bloßstellung ihrer Performer, die sie im Rahmen eines Nackttanz-Workshops bei ImPulsTanz vorigen Sommer ausgewählt hat.

Doris Uhlichs Zugang kommt aus der Freikörperkultur (FKK) und dem Geist der 68er-Generation mit dem Ausdruck von individueller Freiheit.

Schon in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde nackt getanzt, allerdings meist auf Wiesen und mit Bezügen zur Natur.

Mode unwichtig

Uhlichs klug gemachtes Bühnenstück ist ein durchaus humorvoller Aufschrei gegen ein Schönheitsideal der schlanken Körper mit gestählten Muskeln. Darüber hinaus tritt die Bedeutung von Mode in den Hintergrund, und politisch gesehen ist „more than naked“ ein Statement gegen den Zwang der Verhüllung als Symbol und Machtwerkzeug von Diktaturen.

Das Gruppenstück mit Nackten ist ein Ausdruck von überbordender Lebensfreude, mit der die Körper neu entdeckt werden. Uhlich gibt als DJ in Metallic-Jacke und Boots die Musik vor, zu der die Performer ihre Muskeln wabbeln lassen, am eigenen Körper zupfen, schließlich auch die anderen in eine Erkundungstour zum Fleischlichen miteinbeziehen.

Die Fleischeslust macht sie zu Antikörpern aus der Sicht heutiger Idealvorstellungen klischeehaft schöner, oft zugleich sexualisierter Leiber.

Zwick-Duette stehen an der Seite von kleinen Gruppen, die aneinanderklatschen oder laut zu Boden plumpsen. Nur mit Sneakers an den Füßen wird gesprungen, was das Zeug hält. Der Schweiß darf in Strömen fließen und beschert glänzende Körper.

Dazwischen gibt Uhlich mit dem Schwingen ihrer Jacke ein Beispiel für ihre shaky „Fetttanztechnik“.

KURIER-Wertung: **** von *****

Kommentare