ImPulsTanz: Auf der Suche nach Liebe

Ein Mann steht hinter einer Person, die ein graues T-Shirt trägt, und blickt in die Kamera.
Lloyd Newsons DV8 Physical Theatre mit "John" bei ImPulsTanz im Akademietheater.

Für Aufsehen sorgt Lloyd Newsons Londoner DV8 Physical Theatre seit seiner Gründung 1986. Dass er die Uraufführung von "John" (für ein Publikum unter 18 nicht geeignet) im Akademietheater ImPulsTanz anvertraute, ist eine Auszeichnung für das Wiener Tanzfestival.

18 Stücke und vier Filme in 28 Jahren, dafür 50 Preise und Auszeichnungen: Zahlen erlauben Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des in Australien geborenen Tänzers und Choreografen, der in Melbourne Sozialarbeiter war.

Seine Stücke beruhen auf jahrelangen Recherchen und einer intensiven Probenarbeit, die ein präzises Zusammenspiel von Sprache und Bewegung ermöglicht.

Punk, Sex und Improvisation waren das Markenzeichen der Compagnie, deren Ästhetik auch vom 2012 gestorbenen Mitbegründer Nigel Charnock geprägt wurde. Newson befasst sich seit 2007 mit einer Weiterentwicklung des mit dem deutschen Tanztheater verwandten "Physical Theatre" zum dokumentarischen "Verbatim Dance Theatre" und inszeniert seine Stücke mit Texten, die er aus Interviews zusammenstellt.

Tanz-Text-Collage

So auch für "John". Was er aus Gesprächen mit 50 Männern, über Liebe und Sex als Textgrundlage herausholte, hat die Brisanz von Theaterstücken von Sarah Kane bis Werner Schwab.

Die Hauptfigur John stammt aus einem Umfeld, das keine Liebe kennt. Der Vater prügelte die hochschwangere Mutter halb tot, missbrauchte die Tochter. Ein auf der Drehbühne verschachtelter Wohnraum wirkt wie ein Gefängnis. John, großartig dargestellt von Newsons "Creative Associate" Hannes Langolf, wird drogenabhängig und kriminell. Die Choreografie der Protagonisten spricht eine andere Sprache als die brutale, mit nordenglischem Akzent geschilderte Realität. Sie zeigt Körper, die vor Angst nicht mehr stehen können, in aggressiver Unruhe taumeln. Newson konzentriert sich auf Haltungen, verzichtet weitgehend auf emotionale Befindlichkeiten. Der Wohnraum mutiert im 2. Teil zur Schwulensauna. Männer suchen schnellen Sex, verharmlosen in Gesprächen die Gefahr der Ansteckung mit HIV – ja, auch diese Texte sind authentisch. John sucht in der den meisten Menschen fremden Welt seine Identität und erkennt, dass er keine sexuellen Abenteuer möchte, sondern Liebe. In dem Moment lässt Newson die Stimme des echten John einspielen. Ein erlösender Deus ex machina ist nicht in Sicht (Vorstellungen bis 10.8.)

KURIER-Wertung:

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