Hofrat Hruschka schickt das Bundesheer

Ein Mann mit Bart und Brille blickt zur Seite.
"Im Berg(l)": Christian Lockers surreale Posse zwischen Rax und Schneeberg bzw. Leo Perutz und Herzmanovsky-Orlando

Gut, dass man am Anfang nicht weiß, dass ein Hase (mit einem Krickerl am Kopf) eine Gams schießen wird.

Sonst könnte man vorschnell urteilen: Nein, nein, so einen Unsinn liest man lieber nicht.

„Im Berg(l)“ ist der dritte skurrile Roman des Wiener Schriftstellers, Malers und Bauern Christian Locker. Man wird es erst langsam merken: Es geht um die EU und ihre langen Arme, die bis in die Rax-Schneeberg-Gegend reichen. Nur die Arme. Das Gehirn ist nicht dabei.

Dort, im fiktiven Ort Graubach im Bergl, sollen Bunker für die EU-Spitze gebaut werden.

Der Hofrat Hruschka vom Innenministerium schickt Soldaten, um die Sperrzone 25 Schrägstrich 7 Schrägstrich 5 zu entsiedeln. Der Einzige im Ort, der von dem Geheimplan wusste, ist der Bürgermeister. Aber der hat bisher nichts in die Wege geleitet und ist nicht zu erreichen. Nicht einmal bei der Wasserlwirtin steckt er.

Ins Blasenloch

Mit einer solchen Provinzposse hätte es der 50-jährige Christian Locker in die Bestsellerliste schaffen können.

Aber ihm ist das offensichtlich zu billig.

Zwar fliegt der Hofrat in den Schweinedreck, und der Feldwebel wird von einer alleinerziehenden Mutter gefangen genommen ... aber der Roman zieht zusätzlich hinunter: ins Innere eines Berges, wo ein unterirdischer See liegt – schwer erreichbar durch eine Höhle, genannt das „Blasenloch“. Und wenn man hineinklettert, geht man in der Zeit zurück und ist am Ende des Zweiten Weltkriegs gelandet. Der Gauleiterstellvertreter und ähnlich gelagerte Ortsbewohner verstecken sich hier vor den Russen. Es gibt Freibier.

Ernsthaft

Wild treibt’s Christian Locker seit seinem Debütroman „Einfach jeder“ (2011). Damals haben die wahren Mächtigen willkürlich Todesstrafen vollstreckt. Es wurde gesteinigt, guillotiniert, Löwen bekamen Menschen zum Fraß vorgeworfen – die eingeladenen Gäste lachten dazu und bekamen Kaviar und Gänseklein serviert.

Das Cover des Romans „Im Berg (l)“ von Christian Locker zeigt eine Berglandschaft mit fantastischen Elementen.

Surreal, aber auf festem Boden. Nicht halb lustig erzählt, sondern ernsthaft. Ein Plädoyer gegen die Todesstrafe. Leo Perutz war dem Autor nahe.

Und im zweiten Roman, „Wann endet die Gemütlichkeit?“ schien Christian Locker mit Herzmanovsky-Orlando verwandt zu sein: Eine depperte Runde (inkl. Universitätsprofessor) plante, einen angeblichen Habsburger an die Macht zu putschen ...

So verrückt! Aber immer mit Hirn und spürbarer Lust am Fabulieren. Man könnte „Im Berg(l)“ durchaus einen vierten Wertungsstern geben. Aber bei diesem Autor neigt man zu Strenge. Der kann noch mehr.

KURIER-Wertung:

INFO: Christian Locker: „Im Berg(l)“ Edition Art Libre. 362 Seiten. 24,50 Euro.

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