Hitler-Satire: Ab heute wird zurückgelacht

Jetzt ist also wieder lachen über Hitler angesagt.
Hitler, hilflos hinter dem Computer. Hitler, von Neonazis verprügelt. Hitler, der an den Einschaltquoten scheitert. Ein Hitler-Darsteller, der mit "echten Menschen" auf der Straße redet – und die erwartbaren, unkorrekten Antworten bekommt. Und den die Menschen gerne als Selfie-Gast einladen.
Also drauflos gelacht: "Er ist wieder da" – eine Mischung aus Borat, Hitler-Ironie und Medienkritik – läuft in den Kinos. Der Schmäh: Hitler wacht im heutigen Berlin wieder auf. Und das läuft anders, als erwartet.
Zwei Millionen Bücher wurden vom gleichnamigen Bestseller von Timur Vermes allein auf Deutsch verkauft. Das Buch wurde in 38 Sprachen übersetzt. Nun soll es noch einmal an der Kinokassa kräftig klingeln. Mit dem Ticket kauft man sich die Gelegenheit, über Hitler zu lachen. Und hoffentlich auch über den Umgang mit Hitler: Hitler ist Verkaufsstrategie. Denn wenn nichts mehr geht, geht Hitler.
Hitler überall
Die mediale Auseinandersetzung mit dem Massenmörder ist so umfangreich wie grenzwertig – und berechnend: Die deutschen Fernsehmacher, so lernten wir vergangene Woche, wollen endlich mit ihren US-Kollegen auf Augenhöhe stehen und ebenso aufwendige Serien drehen. Raten Sie mal, wovon die erste Serie handelt.
Richtig: Hitler.
Der Spätabend im Fernsehen ist phasenweise ein Spießrutenlauf durch die Hitler-Dokumentationen mit immer absurderen Themen (Eine neue beschäftigt sich übrigens mit Hitlers Weiterleben – nach dem Selbstmord, wohlgemerkt). Hitler wurde bereits durch jeden möglichen medialen Reißwolf gedreht. Die Auseinandersetzung mit dem düsteren Kapitel bleibt wichtig, wird vielleicht immer wichtiger. Die alltägliche Gewohnheit aber, mit der wir uns immer wieder vor Hitler erschrecken, hat durchaus eigentümliche Nebentöne: Noch schnell vor dem Schlafengehen eine Hitler-Doku gefällig?
Früh ging es in der künstlerischen und medialen Auseinandersetzung aber auch um befreiendes Lachen oder zumindest Befreiung aus der Ohnmacht gegenüber Hitler und seinen Verbrechen.
Über keinen Massenmörder der Geschichte wurde so viel gelacht. So hat Supermann Hitler schon 1940 eins auf die Nase gegeben, Charlie Chaplin hat ihn virtuos persifliert, Indiana Jones ist vor ihm davon gelaufen, in der TV-Serie "South Park" singt Hitler ein Liedchen in der Hölle, und in Computerspielen kann man ihn auf verschiedenste Arten umbringen. Die britische Sitcom "Heil, Honey!" hat es in den 1950ern ein bisschen zu weit getrieben: Hitler und Eva Braun leben hier in der Vorstadt neben jüdischen Nachbarn. Nur eine Folge wurde gesendet.
Auch heute
Heute aber ist Hitler im Buch, im Kino freigegeben: Er darf alles, und wir finden das auch noch lustig. "Er ist wieder da" zeigt Szenen aus dem deutschen Alltag – echte und gestellte, die Grenzen sind fließend. Man muss es mit Befremden konstatieren: Hitler fügt sich überraschend leicht ins Heute ein.
Und so kommen wir zu dem Satz, der in keiner Betrachtung der Schnittstelle von Satire und Massenmord fehlen darf: Das Lachen über Hitler bleibt auch hier wieder im Halse stecken.
Hetzer haben, auch das zeigt der Film, auch heute noch ihr williges Publikum. Das ist nicht nur verführbar, sondern dabei auch amüsiert. Nach und nach wird immer klarer, wem die Satire eigentlich gelten sollte: Nicht der Bart-Scheitel-Bildmarke Hitler, sondern der Ironie, mit der er willkommen geheißen wird. Der Diktator wird durch den kumpelhaften Humor, mit dem ihm (auch) begegnet wird, entmachtet, aber auch normalisiert. Er wird zur Micky-Maus-Figur zurückgestutzt: Kennt man, hat man schon mal darüber gelacht. Hier lacht man kein Unbehagen weg, sondern baut es – im Lachen – auf.
Was wäre, wenn Hitler im Deutschland von heute wieder auftauchen würde? Regisseur David Wnendt (38) hat die Handlung des Bestsellers "Er ist wieder da" verfilmt. Der Unterschied zum Buch: Er hat "echte Menschen" im Alltag mit seinem Film-Hitler konfrontiert.
KURIER: Herr
Wnendt, Sie haben Hitler-Darsteller
Oliver Masucci auf "echte Menschen" losgelassen. Hatten Sie keine Angst vor den Reaktionen?
David Wnendt: Das war ja der Grund, warum ich den Film machen wollte – um zu sehen, wie die Leute reagieren. Würden sie wieder auf Hitler reinfallen? Hätte er noch eine Chance? Der Stoff hat für mich dadurch noch mehr Relevanz bekommen. Wir leben in Zeiten, in denen rechtsextremes Gedankengut immer mehr in die Mitte der Gesellschaft vordringt. Deshalb muss etwas getan werden. Man muss sich äußern.
Von vielen wurde im Vorfeld
Christoph Maria Herbst als Hitler-Darsteller gehandelt. Warum spielt er im Film eine andere Rolle?
Herbst ist ein hervorragender Schauspieler, der gut improvisieren kann. Aber er hat Hitler schon einmal gespielt (Alfons Hatler in „Der Wixxer“, Anm. d. Red.) und außerdem einen sehr hohen Bekanntheitsgrad. Das hätte den Dreh viel schwieriger gemacht. Die Leute hätten ihn sofort als den Schauspieler Herbst erkannt. Er wollte dann auch selbst eine andere Rolle haben. Das war ein Prozess. Und Oliver Masucci hat schon im Casting alle Facetten, die für die Rolle wichtig waren, mitgebracht.
Welche Fähigkeiten waren das?
Er musste zum Beispiel einen historischen Monolog von Hitler vortragen. Man musste das Gefühl haben, Hitler für den Augenblick wirklich zu spüren. Um das Dokumentarische abzudecken, baten wir ihn, bei der Deutschen Oper anzurufen und Wagnerkarten zu bestellen. Bei einem Hundezüchter musste er sein Interesse für einen Schäferhund anmelden. Er sollte als Schauspieler, das Gefühl bekommen, wie das ist. Man muss sich vorstellen, dass man da wildfremde Leute anruft. Das kann ganz schnell peinlich werden.
Wobei Schamgefühl in diesem Fall das einzig Richtige ist.
Auf jeden Fall. Das hat man als Schauspieler ja auch. Aber da muss man einfach drüber hinweggehen.
Heute wird in
Wien gewählt. Haben Sie sich als Deutscher im Vorfeld dafür interessiert?
Ja, denn die Situation ist brisant. Jetzt zeigt sich, wie wichtig
Wahlen eigentlich sind. Wenn jemand, der eher rechtspopulistisch ist, kurz davor ist, als Bürgermeister an die Macht zu kommen, ist das schon ein starkes Stück. Es ist symptomatisch für die Lage in ganz Europa. Rechtspopulisten haben es gerade sehr leicht. Das zeigt die Verantwortung, die jeder einzelne Wähler hat.
„Er ist wieder da“ war als Roman ein Bestseller. Gute Voraussetzungen, dass auch der Film ein großer Erfolg wird. War das nicht auch ein Grund, warum Sie sich für den Stoff entschieden haben?
Ich überlege mir bei einem Film vorher nie, ob ich mit dem Stoff Erfolg haben könnte. Ich versuche einfach, Filme zu machen, die mich selbst als Zuschauer interessieren würden.
Ich frage deshalb, weil Sie mit „Feuchtgebiete“ schon einmal einen Roman-Bestseller verfilmt haben.
Bei einem Film weiß man nie,wie er ankommt. Es kann immer sein, dass es nicht gut läuft. Wer weiß, ob ich dann die Chance kriege, jemals wieder einen Film zu machen? Ich habe einen Sohn und würde ehrlich gesagt nicht wollen, dass er Filmemacher wird. Man kann sich in dem Beruf auch nirgendwo bewerben oder angestellt werden. Es ist unsicher.
Welche Filme sehen Sie sich im Kino an?
Nachdem ich bis vor zwei Wochen an „Er ist wieder da“ gearbeitet habe, hatte ich wenig Zeit, ins Kino zu gehen. Ich habe aber eine Liste mit Filmen, die ich nachholen muss. Serien mag ich auch.
Verraten Sie uns welche?
Ich habe gerade „Californication“ abgeschlossen. „True Detective“ mag ich auch. Aber jetzt bin ich auf der Suche nach neuem Stoff.
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