Heinz Marecek wird 80: "Ich hab’ nie einen Mörder gespielt – eigentlich schad'"

„Wie alt bist du? Was, 23? Da bist du ja jünger, als ich jemals war“, befand Leonard Bernstein, dem Heinz Marecek offenbar nicht nur auf der Volksopernbühne (1968, als ungehobelter „Action“ in seiner „Westside Story“) aufgefallen war. Auch bei der Premierenparty in der legendären Disco „Atrium“ erlag der geniale Komponist der großen Aura des unaufhaltsamen (Noch-)Kleindarstellers.
Spätestens seit damals ist der alsbaldige 80er nicht mehr gealtert. Der „Burli“ – wie er nahezu sämtliche Wegbegleiter nannte, weshalb der Spitzname auch prompt zu ihm zurückkehrte – gilt als Musterbeispiel des homo ridens, des „lachenden Menschen“. Weniger laut Aristoteles („nur der Mensch lacht“), als laut Leibniz, der weise warnte: „Nicht alles Lachende ist menschlich, aber alles Menschliche ist lachend.“ Das taugt als höhere Philosophie des Humors.
Ein „Burli“ von 20 mit 60 Jahren Erfahrung
Beim gebürtigen Wiener war nicht immer alles lustig. Aber wenn es nicht auch lustig war, dann war alles nichts. Seit einer Schulaufführung, in der er den ansprechenden Ansager abgab, verfiel er dem lebenslangen Hauptnahrungsmittel „Feedback“.
Marecek ist also nicht 80, sondern 20 mit 60 Jahren Erfahrung. Lachfalten bitte nicht mit Jahresringen verwechseln!

Christine, die (zweite) Ehefrau seit 40 Jahren, liebt „seine Augen, mit denen er die Welt betrachtet und auch mich.“
Wie er die Jugend bewahrt
Man muss bei einem Erzkomödianten den feierlichen Ernst ja nicht über Gebühr strapazieren. Nur zwei Perlen noch aus der Wortschatzkiste. Karl Farkas: „Zum Blödsein muss man g’scheit sein“ und Peter Ustinov: „Humor ist nur eine komische Art, ernst zu sein.“ Fehlt nur noch Marecek selbst (aus: „Ich komme aus dem Lachen nicht heraus“, Amalthea, 2011): „Lachen ist den Mächtigen immer unheimlich. Jeder schlechte Lehrer wird sofort nervös, wenn in der Klasse unten gelacht wird. Weil er meist zurecht annimmt, dass über ihn gelacht wird. Humor ist der fliegende Teppich, auf dem man durchs Leben reisen sollte, oder wie Aladins Wunderlampe, aus der, wenn man daran reibt, der Geist herauskommt.“ Denn: Der Geist des Lachens ist nie gespenstisch.
„Wenn etwas witzig ist“, hält sich Marecek an George Bernard Shaw, „untersuche ich es sorgfältig auf die verborgene Wahrheit.“
Als Heinz einst seinen Eltern bang eröffnete, Schauspieler werden zu wollen, da sagte der Vater: „Gratuliere – das ist ein toller Beruf.“ Und auch die Mutter räumte jeden Zweifel aus: „Du glaubst, das ist zu unsicher? Geh! Was ist schon sicher im Leben?“ Nur der kleine Bruder dämpfte die ungeahnte Euphorie: „Schauspieler willst werden? Muass ma da net scheener sein?“
Heinz Marecek im Wordrap. Frei nach Frisch, Lipton & Pivot*
Für den Fall einer Reinkarnation als Tier – was wärst du am liebsten?
Heinz Marecek: Ein entlaufenes Trüffelschwein.
Wen, der bereits verstorben ist, würdest du gerne wiedersehen?
Alle. Die weg sind, sind unersetzlich, etwa die, die ich Burli nannte, wie Holecek, Schneyder und Horowitz.
Hättest du gerne das absolute Gedächtnis?
Was für ein schrecklicher Gedanke!
Hättest du gerne rückblickend einer anderen Nation oder Kultur angehört, wenn ja, welcher?
Am ehesten der englischen – die spielen am besten Theater.
Wie alt möchtest du werden?
Bis ich sage: „So, das wär’s! Dankeschön!“
Welches Geräusch ist dir am liebsten?
Knisternde Stille.
Welches Geräusch ist dir am verhasstesten?
Jedes, das ein ruhiges Gespräch mit Freunden bei Tisch nicht zulässt.
Welchen Beruf hättest du ergriffen, wenn es mit deinem nichts geworden wäre?
Es gab nie einen „Plan B“.
Wir gehen einmal davon aus, dass du in deinem Leben niemanden umgebracht hast – wie erklärst du dir, dass es nie dazu gekommen ist?
Offenbar aus Mangel an Gelegenheit.
Wenn es denn einen Gott gibt und du trittst ihm an der Himmelstür entgegen, welche ganz persönlichen Worte würdest du dann gerne von ihm hören?
„Da schau her, der Marecek – hat der nicht immer geglaubt, es gibt mich nicht?“
***
*Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch ( 1991) entwickelte Dutzende gefinkelte Kreuzverhöre dieser Art.
US-TV-Host James Lipton ( 2020) grillte, gestützt auf den französischen Kollegen Bernard Pivot ( 2024), im Dauerbrenner „Inside the Actors Studio“ auf ähnliche Weise insgesamt 277 Stars.

„Zum Alten Beisl“: Marecek aß mit KURIER-Autor Chmelar.
Publikumsliebling
Über sechs Jahrzehnte erstreckt sich mittlerweile seine konstante Karriere als Publikumsliebling. In welcher Rolle auch immer – ob in der Josefstadt oder in der Lindenstraße, ob als Koch in Kitzbühel oder als Bergretter in der Ramsau, ob beim Tarock im Bockerer („Ihr Blatt, Herr Rosenblatt!“) oder als (be-)stechender Trumpf auf Kabarettbühnen (solo oder im Duett-Revival mit Erwin Steinhauer, ab März 2026 mit „Was lachen Sie?“). Sein Credo: Darstellen statt bloßstellen, Seiten entdecken statt Außenseiter aufblatteln, stets mit dem gewissen Etwas und mehr als nur etwas Gewissen. Sein liebster Lehrmeister? Otto, der Große. „Ich bin und bleib ein Schenk-Bua.“ Was fehlt da noch? „Ich hab nie einen Mörder gespielt – eigentlich schad’, auch so eine Figur hätte ich verteidigt.“ Und irgendwie entging ihm die „Mörderrolle“ in der Fledermaus, der Frosch. Was ihm spielerische Spannkraft bewahrt? „Die liebe Familie“, die er nicht nur als ORF-Live-Soap (1980–1993) miterlebte. Marecek ist seit 40 Jahren mit Christine verheiratet. Sie haben zwei Kinder (Sarah, 39, Ben, 33) und ein Enkerl (Samuel, 4). Mit allen lacht er, alle lachen mit ihm. Der Wappenspruch, der sie alle eint: „Wer nicht genießt, wird ungenießbar.“

Marecek mit Elfriede Ott in der ORF-Live-Soap „Die liebe Familie“ (mit 384 Folgen von 1980 bis 1993).
Wobei er das Alter spürt
Marecek, laut Freunden und Angehörigen „ein wunderbarer Zuhörer und Ratgeber“, ist dem Alter nicht bös. Es wurmt ihn nur eines: „Ich kann nicht mehr über den Zaun pischen.“
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