Hartmann: Entlassung "ungerecht und falsch"

Am Mittwoch hat im Wiener Arbeits- und Sozialgericht die zweite Tagsatzung im Prozess Matthias Hartmanns gegen seine Entlassung als Burgtheaterdirektor begonnen. Sowohl Hartmann als auch der als Zeuge geladene Ex-Holding-Chef Georg Springer waren zugegen, würdigten einander aber anders als zu Beginn des Prozesses im Juni keines Blickes.
Richterin Kristina Heissenberger forderte gleich zu Beginn der Verhandlung beide Parteien auf, auf Redundanzen zu verzichten. "Sie wissen schon, dass wir das Verfahren irgendwie effizient führen müssen", so Heissenberger, die auch darum bat, die Zeugenliste auf Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Der heutige Prozesstag ist bis 19.30 Uhr anberaumt.
In der ersten Prozess-Stunde wiederholte Hartmanns Anwalt Georg Schima sein bereits bekanntes Vorbringen: "Für eine berechtigte Entlassung muss die Weiterbeschäftigung auch nur für kurze Zeit unzumutbar gewesen sein. Diese Unzumutbarkeit war offenbar nicht gegeben, wenn das Burgtheater Matthias Hartmann einerseits nicht ordnungsgemäße Versteuerung vorwirft und andererseits als Nachfolgerin mit Frau Bergmann jemanden bestellt, von der bekannt und eingestanden ist, dass sie bar bezogenes Vertretungshonorar nicht versteuerte", so Schima.
Außerdem könne die Entlassung aus demselben Grund nicht darauf gestützt werden, "dass der Kläger Hartmann die kaufmännische Geschäftsführung nicht ausreichend überwacht hätte, wenn als Nachfolgerin des Klägers jemand bestellt wird, der selbst in einem Zeitungsinterview als auch in der Aufsichtsratssitzung im März 2014 unmittelbar vor ihrer Bestellung eingestanden hat, dass ihr jede Fähigkeiten fehlt, Bilanzen lesen zu können." Die beklagte Partei messe also mit zweierlei Maß, so die Hartmann-Anwälte, die sich auch erneut auf die E-Mail-Korrespondenz zwischen Hartmanns Berater Peter Raddatz, der damaligen kaufmännischen Geschäftsführerin Silvia Stantejski und Vertretern der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC (PricewaterhouseCoopers) bezog.
Geplänkel der Anwälte
Bernhard Hainz, der Rechtsvertreter des Burgtheaters, konterte mit schweren Geschützen. Hartmann sei nicht entlassen worden, "weil er mehr oder weniger nicht Bilanzen lesen kann", sondern weil er seine Verantwortung als Geschäftsführer nicht wahrgenommen habe.
Der Burgtheater-Direktor habe nicht nur seine Überwachung- und Kontrollfunktion vernachlässigt, sondern sich am "Verschleierungssystem" der kaufmännischen Geschäftsführerin Silvia Stantejsky "beteiligt", hielt Hainz fest. "So ein Schwachsinn", meldete sich Hartmann daraufhin erstmals mit einem Zwischenruf zu Wort.
Hainz ließ sich davon nicht irritieren und führte weiter aus, der neben ihm sitzende Ex-Holding-Chef Georg Springer habe zu keinem Zeitpunkt von den "kreativen Methoden" Stantejskys gewusst und sie gedeckt. Das sei "der wesentliche Unterschied zwischen Springer und Hartmann". Matthias Hartmann habe "zum Zwecke der Steuerhinterziehung" das System Stantejsky "nicht abgestellt". Er habe damit "das Wesentliche nicht getan", um "das Burgtheater zu retten", formulierte der Rechtsvertreter des Burgtheaters.
Zu den Liquiditätsproblemen des Burgtheaters 2008/2009 sei es erst mit einer "massiven Ausweitung der Produktionen" in der Vorbereitung auf die Ära Hartmann gekommen. Die damit verbundene erhebliche Steigerung der Produktionskosten habe zu "Liquiditätsengpässen" geführt, konstatierte Hainz, der zudem darauf verwies, dass es "interessant" sei, dass Hartmanns Berater Peter Raddatz bisher keinen Zwischen- oder Endbericht seiner Tätigkeit vorgelegt habe, obwohl er 20.000 Euro dafür erhalten habe. Raddatz sei bei zwei Aufsichtsratssitzungen zugegen gewesen und habe sich nicht zu Wort gemeldet. "Man könnte erwarten, dass es hier einmal ein schriftliches Ergebnis gibt", so Hainz.
Hainz kündigte außerdem ein weiteres "gerichtliches Nachspiel" gegen Hartmann an, weil dieser vertrauliche Aufsichtsratsprotokolle "in großem Stil" und "flächendeckend" der Presse zugespielt habe. Das sei eine "Verletzung des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses". Schima hielt dem entgegen, es müsse nicht zwangsläufig Hartmann gewesen sein, der die Unterlagen weitergab.
Hartmann: "ungerecht und falsch"
Exakt um 13.53 Uhr wurde im Wiener Arbeitsgericht mit der Einvernahme des Ex-Burgtheater-Direktors Matthias Hartmann (51) begonnen, der seine Entlassung durch Kulturminister Josef Ostermayer ( SPÖ) bekämpft. Hartmann möchte mit seiner Klage gegen das Burgtheater unter anderem die gerichtliche Feststellung erwirken, dass der Bestand des Mandats sowie sein Geschäftsführervertrag weiter aufrecht ist
Die Details seines Vertrags - darunter auch das Gehalt - habe er mit Holding-Chef Georg Springer besprochen und vereinbart, berichtete Hartmann. Der grobe Rahmen sei bereits festgelegt gewesen und habe sich am Vertrag seines Vorgängers Klaus Bachler orientiert. Man habe ihm dabei schon im Vorfeld "garantiert, dass das Haus keine Schulden hat", betonte Hartmann. Das sei ihm wichtig gewesen, "gerade wenn es darum geht, ob man ein Theater übernimmt und nicht klar ist, ob die Basisabgeltung ausreicht, für das, was man mit dem Haus vor hat". Er habe die Garantie haben wollen, "dass das Theater nicht belastet ist" und er "ungehindert" arbeiten kann. Daraufhin habe er von Springer als Geschäftsgrundlage ein Dokument bekommen. Das habe "für mich ausgereicht", so Hartmann: "Für mich war das eine Garantie, dass es keine finanzielle Belastung gibt, die meine Arbeit als Direktor einschränkt."
Zum Burgtheater-Direktor sei er im Mai/Juni 2006 in Form einer "brieflichen Absichtserklärung" durch den damaligen Kunststaatssekretär Franz Morak (ÖVP) ernannt worden: "Ich bin nach Hause gegangen und habe zu meiner Frau gesagt: Ab 1. September 2009 bin ich Burgtheater-Direktor." Eine Ausfertigung seines Vertrags habe er "erst später bekommen. Das hat mich überrascht." Auf die Frage, wann der Beschluss ergangen sei, dass er auch als künstlerischer Geschäftsführer eingesetzt wurde, gab Hartmann zu verstehen, dass dies für ihn mit der Bestellung zum Direktor zusammenfiel. Die Gründe für die Beendigung seines Dienstverhältnisses habe er im Vertrag "gelesen und akzeptiert". "So, wie ich das da gelesen habe" wäre zur Abberufung aber nur der Bundeskanzler berufen gewesen: "Das gibt einem schon eine gewisse Sicherheit."
Verlängerung per Mail
Seine Verlängerung durch Kulturministerin Claudia Schmied, die am 1. September 2014 in Kraft treten sollte, habe er "per Mail und dann per Boten durch Post bekommen", so Hartmann weiter. Dieser habe er auch von seinen Vorbehalten gegen die Holding erzählt. Hinsichtlich der finanziellen Lage an der Burg habe er sich von deren Nachfolger Josef Ostermayer "Unterstützung bei der Schaffung von Transparenz" erhofft, wie er sie sich mit der Beiziehung von Peter Raddatz als Berater erwartete. Aber schon Schmied habe er "alles erzählt, was mich belastet hat", erwiderte Hartmann auf die Frage, ob er die Finanzgebarung schon früher thematisiert habe. Er habe geglaubt, damit ein "Bewusstsein zu schaffen, dass sich gewisse Dinge ändern müssen".
Nach Auffassung von Hartmann hätte er erst ab Inkrafttreten seiner fünfjährigen Verlängerung im Herbst 2014 vom Kulturminister abberufen werden können. Vorher wäre nach seinem Dafürhalten dafür der Bundeskanzler zuständig gewesen. Hartmann war am 11. März 2014 von Schmieds Nachfolger Ostermayer seines Amtes enthoben worden.
An Gespräche über eine leistungs- und erfolgsorientierte Tantiemen ab der Saison 2014/2015 in Höhe von zehn Prozent zusätzlich zu seinem Gehalt könne er sich nicht mehr erinnern, stellte Hartmann fest.
"Ehrlich gesagt war ich so aufgeregt, dass ich es nicht verstanden habe", erklärte Hartmann zu den insgesamt drei Entlassungsschreiben, die man ihm auf den Tisch gelegt habe. Man habe "mir nicht klar sagen können, warum ich entlassen werde". Auf Anraten seines Anwalts habe er sich entschieden, "dagegen anzugehen". Er halte die Entscheidung des Ministers "für ungerecht und falsch".
Hartmann hoffte auf Ostermayer
Des Weiteren erwähnte Hartmann, dass er bereits bei einem Gespräch mit Josef Ostermayer (SPÖ), als dieser noch Staatssekretär war, hoffte, dass dieser einmal Kulturminister werden würde: "Ich hatte mir erhofft, dann würden sich die Dinge ändern."
Richterin Kristina Heissenberger befragte Hartmann am Nachmittag ausführlich über einen von Hartmann vorgebrachten "Interessenskonflikt", der begonnen habe, als er bemerkte, dass die finanzielle Situation des Burgtheaters "in der Vergangenheit falsch bewertet" worden war. Hartmann sei "glücklich" über die Allianz mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG gewesen, mit deren Hilfe die wirtschaftlichen Verhältnisse "realistischer" dargestellt wurden.
Holding-Chef Georg Springer habe bei allen Versuchen, mehr Transparenz zu schaffen, aber "immer abgewiegelt und gesagt, dass es kein Problem sei", so Hartmann. Er habe in der ganzen Zeit "immer die gleichen Anwälte wie Herr Springer" gehabt, "weil Springer sagte, wir müssen in einem Boot bleiben". Da er aber aus dem Boot aussteigen würde, wenn er die Verhältnisse öffentlich klären würde, suchte er auf Anraten von Rudolf Scholten anwaltlichen Rat bei Thomas Angermair. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht zur Sprache gekommen, dass Angermair bisher auch das Burgtheater vertreten habe.
Mit Angermair habe er an einem Sonntag in Hartmanns Privathaus ein Gespräch geführt, wo er von der Idee eines Streitbeilegung mit Silvia Stantejsky in Form eines nicht öffentlichen Schiedsgerichts berichtete. Angermair habe sich nie zu Hartmanns Ausführungen geäußert und lediglich Fragen gestellt. Erst am Schluss habe der Anwalt zu Hartmann gesagt, im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung würde er "lieber" das Burgtheater vertreten. Dennoch habe Hartmann ihm danach noch erzählt, dass es "steuerliche Ungereimtheit" gebe und er diese "privaten Angelegenheiten bald klären" wolle. Er habe auf die anwaltliche Schweigepflicht Angermairs vertraut.
"Mir rauchte der Kopf vor lauter Zettelwerk"

Insgesamt hatte Hartmann einen Betrag von 273.000 Euro erhalten, ihn jedoch nicht zur Gänze "abgeholt". Daher habe er den Rest auch nicht versteuert. "Ich habe mich gefreut, dass ich hier einmal in meinem Leben Geld anhäufe, ohne dass ich es gleich wieder ausgebe", so Hartmann als Begründung, warum er das Geld nicht abgeholt habe.
"Meine Frau macht bei uns die finanziellen Dinge", so Hartmann. Er habe bis heute nur ein "Unterkonto" zu dem seiner Frau. Seine Familie habe damals noch in der Schweiz gelebt, wo er ebenfalls Bezüge gehabt habe, und es schien ihm "am wenigsten aufwendig", dieses Geld im Burgtheater zu belassen. "Ganz bestimmt dachte ich nicht, dass ich damit einem System beitrete oder damit die Bilanz des Burgtheaters aufgehübscht wird." Es sei ein privater, freundschaftlicher Dienst Stantejskys gewesen, das Geld am Haus zu behalten. "Das kannst du später holen", habe sie gesagt. Zudem habe sie ihm in weiterer Folge angeboten, auch als seine Steuerberaterin zu fungieren. Erst 2010 habe er einen eigenen Steuerberater aufgesucht, den ihm Stantejsky empfohlen habe.
Über Versteuerung habe er sich keine Gedanken gemacht, da er den ganzen Betrag nicht abgehoben habe, sondern immer "in Tranchen" Teilbeträge erhalten habe - insgesamt 110.000 Euro, die er ebenfalls nicht versteuerte. "Es war mir dann schon klar, dass ich Nachlässigkeiten bereinigen muss." Richterin Heissenberger verwies darauf, dass dies der Hauptentlassungsgrund sei, dass er dieses Geld nicht versteuert habe. Hartmann versicherte, dass er wusste, dass er dieses Geld selbst zu versteuern hatte, da es nicht über seine Lohnsteuerkarte gekommen sei. Seinem Steuerberater habe er allerdings erst später von dem Geld erzählt. Hartmann bezeichnete diese Steuerschuld im Laufe des Prozesses immer wieder als "Privatangelegenheit", die Versteuerung habe er "vor mir hergeschoben, weil es nicht in meinem vorderen Bewusstsein war". Er wollte sich darum kümmern, wenn er den gesamten Betrag abheben werde.
Von Ostermayer enttäuscht
Nach der Entlassung der kaufmännischen Geschäftsführerin Silvia Stantejsky habe er diese gefragt, wo er die ihm noch zustehenden Vorbereitungshonorare jetzt herbekomme, schilderte Hartmann in seiner Einvernahme. Darauf habe diese ihm gestanden, "dass sie es nicht mehr hat. Da habe ich das Gespräch abgebrochen." In weiterer Folge habe Stantejsky "zugegeben, dass sie es veruntreut hat".
Als designierter Burgtheaterdirektor hatte Hartmann seiner Angabe zufolge von Frühsommer 2006 bis Ende August 2009 Vorbereitungshonorare in Höhe von 273.000 generiert, davon aber nur 110.000 Euro an sich genommen. Den Rest habe er auf Vorschlag Stantejksys an der Burg "geparkt", da sie ihm versichert habe, er könne sich das Geld "holen, wenn du es brauchst".
Dass Hartmann diese Honorare nicht versteuerte, war ein wesentlicher Grund, weswegen er entlassen wurde. Ein weiterer war offenkundig ein vier Tage vor seiner Entlassung bekannt gewordener Beleg, demzufolge Hartmann von Stantejsky im Juli 2009 233.000 Euro in bar erhalten haben soll, weil er damals noch kein Konto in Wien hatte. Laut Hartmann handelt es sich bei diesem Beleg um ein "falsches Dokument", wie er mit Nachdruck in seiner ausführlichen Einvernahme betonte.
Unter dem Eindruck dieses Papiers sei seine bis dahin durchaus freundschaftliche Beziehung zu Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) "schlagartig vereist", sagte Hartmann. Ostermayer habe sich bis dahin "stets an meine Seite gestellt". Der falsche Beleg habe dazu geführt, "dass ein Minister, der vor der Presse gut da stehen will, der die Öffentlichkeit sucht, von mir wegspringt, als hätte ich die Lepra".
Ostermayers Verhalten schien Hartmann nach wie vor sichtlich im Magen zu liegen. "Es wäre ein Gebot der Fairness gewesen, wenn er mich gefragt hätte, ob die Vorwürfe gerechtfertigt sind", hielt der Ex-Burgtheater-Direktor fest. Das sei unterblieben. Ostermayer habe ihm keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und ihn "gefeuert".
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