Von diesen Netzwerken und den daraus resultierenden Inspirationsflüssen erzählt die opulente neue Schau im Unteren Belvedere (bis 29. 5.), der sich wohl schon jetzt ein großer Publikumsandrang prophezeien lässt.
Kunsthistorisch betritt das Museum dabei nicht derart großes Neuland, wie die Werberhetorik verheißt – Stephan Koja, bis zu seinem Abgang 2016 noch in die Vorbereitung der Schau involviert, hatte mehrere Ausstellungen zum Thema gestaltet, der Klimt-Experte Tobias Natter beforschte vor 20 Jahren die Galerie Miethke, die ab 1904 als Wiens „Importbüro“ für westliche Kunststars von Van Gogh bis Picasso fungierte.
Eine Zusammenarbeit mit dem Amsterdamer Van Gogh-Museum, die die Ausstellung im Vorjahr unter dem Titel „Golden Boy Gustav Klimt“ zeigte, ermöglichte nun aber eine Dichte an Werken, die in der Tat beeindruckt.
Dabei ist es nicht so, dass die Stars der in Paris zentrierten Moderne (Stichwort „Monet bis Picasso“) Klimts wichtigste Inspirationsquellen gewesen wären. Entlang einer genau erforschten Historie, welche Ausstellungen Klimt in Wien, aber auch auf Reisen nach München, Brüssel oder Paris zu sehen bekam, sieht man etwa Frauenporträts der US-Maler John Singer Sargent und James Abbott McNeill Whistler, verrätselt-atmosphärische Bilder des Belgiers Fernand Khnopff oder die auf geschwungene Linien bauenden Werke des Niederländers Jan Toorop.
Wenige Aufzeichnungen
Anders als etwa von Van Gogh kenne man von Klimt wenige Notizen oder Zeichnungen, in denen der Künstler seine Verehrung für einzelne Vorbilder ausbuchstabierte, erklärt Belvedere-Kurator Markus Fellinger. Doch Klimt versteckte seine Quellen nicht – und in der Schau lassen sich die Verbindungen gut erspüren: Von Toorop zum Beethoven-Fries, von Van Gogh zum flirrenden Gemälde der „Allee vor Schloss Kammer am Attersee“, vom Farbgewitter eines Henri Matisse zum scheckigen „Bildnis der Eugenia Primavesi“. Und von den Symbolisten Khnopff und Franz von Stuck hin zu den „Wasserschlangen II“, der Sensationsleihgabe dieser an Top-Exponaten nicht gerade armen Schau.
Vor dem famosen Konzert an Ornamenten und Körpern – für Klimts ungemein lebendige Darstellung weiblicher Haut konnte man, so Kurator Fellinger, bis heute kein direktes Vorbild ausmachen – kippt aber fast unweigerlich die Perspektive. Wer schafft es, nicht an die enormen Werte zu denken, die hier an der Wand hängen – und an das globale Netzwerk, das sich um sie spinnt und immer komplexer wurde?
Nicht nur ist Klimt längst Zugpferd des Tourismus (werden denn die asiatischen Gäste kommen, um diese Schau zu sehen?): Die Kunst selbst wurde als Finanzinstrument aktiviert. Die Leihgeberin der „Wasserschlangen“ betreibt etwa einen Fonds, der via Blockchain-Technologie Anteile an Top-Werken verkauft – nicht unähnlich dem, was das Belvedere mit dem „Kuss“ probierte (s. oben).
Dass es in diesem Feld weiter hin möglich ist, so einem Bild mit einer Armlänge Entfernung gegenüberzustehen und es einfach nur wirken zu lassen, wirkt da schon wie ein Privileg. Man sollte es sich nicht nehmen lassen.
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