Green Day in Wien: Hits über Hits, packende Energie und ein Zeppelin mit Babys

NOVA ROCK 2024: KONZERT GREEN DAY
Das US-Trio, allen voran Sänger Billie Joe Armstrong, zeigte in der Stadthalle, was eine perfekte Rockshow ausmacht

Ein Roadie in einem Hasenkostüm hüpft über die Bühne der Wiener Stadthalle, animiert 15.000 Green-Day-Fans zu den Klängen von „Blitzkrieg Bop“ noch wilder zu kreischen und zu grölen, als sie es vor zwei Minuten taten, als „Bohemian Rhapsody“ von Queen durch die Halle schallte. Ein bisschen deplatziert wirkt der Langohr-Auftritt, ein wenig zu kindisch für eine Band, die bekannt dafür ist, ihren hochenergetischen Fun-Sound zwischen Punk und Rock mit Haltung und sozialkritischen, häufig auch politischen Inhalten zu verbinden. Aber der „Hey, Ho! Let’s Go!”-Refrain des Ramones-Klassikers wirkt, macht noch bevor das Trio den ersten Ton gespielt hat, klar: Hier sind Musiker am Start, die genau wissen, wie man eine Show aufbaut.

Das bedeutet auch, dass Sänger Billie Joe Armstrong, Drummer Tre Cool und Bassist Mike Dirnt mit jeder Menge Tempo und drei ihrer größten Hits loslegen. Vor einem aufblasbaren Modell einer blutigen Faust, die eine herzförmige Handgranate hält (wie das Cover ihres 23 Millionen Mal verkauften Albums „American Idiot“) stürzen sie sich mit augenblicklich einnehmender Energie, erst in den Titelsong dieser Rock-Oper, dann in den Hit „Holiday“. 

Was die Shows der Amerikaner auch immer auszeichnet, ist die Art, wie engagiert und beharrlich Armstrong auf das Publikum zugeht, um es einzubinden. Es sind noch nicht einmal fünf Minuten vergangen, da hat er die Wiener schon zwei Mal gebeten, verrückt zu spielen und die Hände in die Höhe zu reißen. Und jetzt vor „Know Your Enemy“ fordert er die Fans auf den Rängen auf, aufzustehen. Natürlich macht das jeder. Sitzen zu bleiben wäre bei der elektrisierenden Atmosphäre im Raum ohnehin eine Qual. 

Mitten in diesem Hit holt er sich eine junge Frau aus dem Publikum auf die Bühne, lässt sie den knackigen Refrain alleine singen, bevor er mit „Boulevard Of Broken Dreams“ einen ebenso großen, aber eine Spur ruhigeren Hit anstimmt.

Ein Musiker steht mit Gitarre und Mikrofon vor einer Feuerwand auf der Bühne.

Im Mittelteil folgen neben weiteren Klassikern aus der fast 40-jährigen Bandkarriere auch ein paar weniger bekannte Songs. „One Eyed Bastard“ aus dem jüngsten Album „Saviors“ oder „86“ von „Insomniac“ von 1995. Die haben zwar vielleicht weniger markante Melodien als die größeren Green-Day-Hits, aber die Mehrheit der Stadthallen-Besucher feiert sie genauso lustvoll ab. Es gibt ja auch genug anderes, was man daran lieben kann. Zum Beispiel, dass damit jetzt die Rhythmen variantenreicher werden, dass hinter der längst zusammengeklappten Granaten-Faust eine LED-Wand thematisch angepasste, humorvolle Animationen zeigt. 

Vor allem aber kann man Armstrongs Charisma und die hervorragenden Frontmann-Qualitäten des 53-Jährigen lieben. Er schiebt immer wieder reizvolle Gitarrensoli dazwischen - kurz, knackig, auf dem Punkt. Er strahlt und grinst beim Singen, die großen Augen weit offen und neugierig auf jede Regung aus dem Publikum. Schnell schiebt er ein animierendes „Hey hey“ zum Nachahmen oder „Let me see you hands“ ein, wenn die Fans einmal nicht hysterisch, sondern nurmehr euphorisch klingen. 

Vielleicht ein wenig zu viel gibt es von den Explosionen und Feuer-Fontänen, die in gefühlt jedem zweiten Song in die Höhe schießen und mit lautem Knallen den Sound zerreißen. Und dann kommen ohnehin schon wieder jede Menge Super-Hits mit zwingenden Melodien: „21 Guns“, „Basket Case“, der erste Green-Day-Welthit von 1992, oder „Wake Me Up When September Ends“, treiben die Stimmung weiter in die Höhe. Konfetti und Papierschlagen fliegen durch die Halle, auf der Bühne gibt es eine Funkenwand, und bei „When I Come Around“ schwebt ein weißer Zeppelin-Luftballon mit der Aufschrift „bad year“ an der Seite und Schnoferl-Gesicht an der Spitze über den Köpfen des Publikums, lässt aus seinem Bauch ein paar Zeppelin-Luftballon-Babys regnen.

Der Zeppelin-Luftballon

Selbst dass die Band, die von zwei Gitarristen und einem Keyboarder verstärkt wird, jetzt nicht immer ganz perfekt zusammenspielt, dass Armstrong im Überschwang einmal so laut brüllt, dass ihm danach die Stimme für zwei Sekunden zusammensackt, hat hier Charme. Es zeigt, wie berauscht das Trio gerade selbst ist, macht die Show nur noch infektiöser.

„Good Riddance (Time Of Your Life)”, für das Armstrong mit der Akustik-Gitarre auf die Bühne kommt, ist ein würdiger Abschluss. Sicher nicht wenige beneiden danach beim Rausgehen diejenigen, die auch für das ebenfalls seit Monaten ausverkaufte Zusatzkonzert am Mittwoch Karten ergattern konnten.

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