Eine Grazie als Gracia Patricia
Der Film ist seicht und leicht. Und das wäre noch nicht besonders erwähnenswert, denn das sind Eröffnungsfilme von Filmfestivals allzu oft. Aber dieser hier ist seicht und leicht und... eine öffentliche Erregung.
Das ist selten.
"Grace of Monaco" ist ein Biopic über Grace Kelly, die 1955, am Höhepunkt ihrer Karriere, Hollywood den Rücken kehrte, um Prinzessin Gracia Patricia zu werden und den Monarchen Rainier III. zu heiraten. Allein das schon ein Märchen.
"Eine Verdrehung der Familiengeschichte aus rein kommerziellen Zwecken!", tobte das monegassische Fürstenhaus bereits im Vorfeld und boykottierte prompt am Mittwoch abend die Eröffnungszeremonie in Cannes.
Fast zu viel der Ehre, möchte man angesichts des Films einwerfen, in dem die schöne Nicole Kidman in schönen Kleidern der schönen Grace ganz schöne Grazie verleiht. Aber auch die politische Geschichte darin nimmt sich aus wie ein Disney-Märchen. Das Fürstenhaus könnte gelassener sein: Kein Zuschauer wird ernsthaft in Betracht ziehen, dass die Geschichte tatsächlich Historie ist und sich so zugetragen hat.
Die Geschichte: Grace Kelly hat das Scheinwerferlicht Hollywoods gegen die des Prinzessinendaseins getauscht. Nach zwei Kindern und einigen Ehejahren tritt nun Alfred Hitchcock (mit dem sie u.a. "Fenster zum Hof" gedreht hat) wieder an sie heran: Sie, seine kühle Lieblingsblondine, soll "Marnie" spielen. Und ja, sie, die Lieblingsblonde, will. Käme da nicht eine diplomatische Krise in die Quere: Charles de Gaulle will Monaco zwingen, an Frankreich Steuern zu zahlen und das mit militärischer Blockade durchsetzen.
Kann Grace in diesem Moment Mann und Land den Rücken kehren, um einen Film zu drehen? Sie ahnen schon, sie kann nicht. Also nimmt sie endgültig die Lebensrolle der Fürstin an (und wird nie wieder in einem Film auftreten, zumindest das ist historisch). Sie lernt, was sie bis dahin noch nicht gelernt hat: wie man in Monaco parliert, wie laut man spricht, wie man Besteck drapiert etc. und lädt am Höhepunkt der Krise die Weltpolitiker zum Ball.
Viel Ärger
Fürst Rainier steht im Film meist ratlos neben sich und ihr, ebenso wie Tim Roth, der ihn spielen muss. Kein Wunder, dass das Fürstentum bereits während der Dreharbeiten protestiert hat: "Grace of Monaco" könne auf keinen Fall als Filmbiografie eingestuft werden. Für ein glamouröses Biopic über einen Star, der als skandalfrei gilt, zog der Film (Regie: Olivier Dahan, "La vie en Rose") bisher erstaunlich viel Ärger an. Auch der berühmte US-Produzent Harvey Weinstein soll laut "Variety" so unzufrieden mit der Endfassung sein, dass er erwäge, den Film in den USA nicht im Kino zu starten. Die Reaktionen in Cannes sollen nun angeblich entscheiden.
KURIER-Wertung:
INFO: "Grace of Monaco" F/ Mon. 2014. 102 Min. Von Olivier Dahan. Mit Nicole Kidman, Tim Roth, F. Langella
Im Kino: "Grace of Monaco"
Im Wettbewerb um die Goldene Palme stellen sich diesmal viele ältere Herren an: die britischen Altmeister Mike Leigh und Ken Loach etwa, die bereits jeder eine Palme zu Hause haben, und auch Regielegende Jean-Luc Godard, der mit 83 Jahren den ersten 3-D-Film drehte.
Aus Österreich ist diesmal nur ein einziger Film an der Croisette zu sehen - und der kommt von einer jungen Frau. Jessica Hausner, die zuletzt bei den Filmfestspielen von Venedig, für „Lourdes“ ausgezeichnet wurde, präsentiert am Freitag ihren ersten Historienfilm in der Nebenschiene „Un certain regard“: „Amour Fou“ handelt von einem Doppel-Liebes-Selbstmord. „Ursprünglich wollte ich das in der Gegenwart spielen lassen“, sagt Hausner, „aber dann bin ich über Kleist gestolpert“. Ihr Film, eine Allegorie, wie sie sagt, basiert auf Leben und Tod des deutschen Dichters Heinrich Kleist und seiner Partnerin im Tod Henriette Vogel.
Aber zurück zum Wettbewerb um die Goldene Palme: Neben Godard finden sich noch viele andere Regiestars. Michel Hazanavicius, der mit „The Artist“ in Schwarz-Weiß berühmt wurde, zeigt einen Kriegsfilm. Olivier Assayas drehte „Sils Maria“ mit Kristen Stewart und Daniel Brühl. Bertrand Bonello inszenierte den zweiten Yves-Saint-Laurent-Film des Jahres. Auch auf Hollywood muss Cannes naturgemäß nicht verzichten: David Cronenberg engagierte für „Maps to the Stars“ erneut Robert Pattinson; Tommy Lee Jones für seine neue Regiearbeit Meryl Streep.
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