Globe Theatre: Wenn eine akute Suchtgefahr gegeben ist

Viel umworben ist die sanfte Schönheit Bianca, doch muss zuerst ihre ruppig-unangepasste Schwester Kate unter die Haube gebracht werden. Petruchio sieht Kates „Dressur“ als Herausforderung …
Mit Shakespeares „The Taming oft the Shrew“ absolviert das Londoner Globe Theatre den zweiten Tourneebesuch dieses Sommers bei Piero Bordins Art Carnuntum. Wieder reicht ein Holzpodest, ein Theaterzelt und Kostüme im Shabby-Chic-Style, ein paar Musikinstrumente und (für 14 Rollen) acht grandiose Schauspielerinnen.
Richtig, ohne Binnen-I: die Besetzung ist ausschließlich weiblich, womit nicht nur die Konvention der Shakespeare-Zeit gespiegelt wird. Regisseur Joe Murphy, der ein Experiment des Globe von 2003 aufgreift, bricht damit auch die gefährlichen Tipps, die das Stück zur Gender-problematik parat hält, ein wenig auf und verweist auf die Grundsätzlichkeit von Themen wie Abhängigkeit und Unterwerfung.
So köstlich Leah Whitaker (Petruchio) auch testosterongesteuertes Imponiergehabe imitiert, behält die Figur doch einen reizvollen androgynen Schwebezustand – im gerüschten Hochzeitshemd mit gegelten Locken erinnert sie entfernt an Michael Jackson. Die physische Kraftlackel-Präsenz kann auf Andeutungen zurückgenommen werden, etwa den Händedruck, bei dem alle zusammenzucken. In Kate Lamb hat sie eine facettenreiche Katherina zur Partnerin: Den ersten Kuss von Petruchio holt sie sich nahezu gierig, nur die weitere Beziehung hat sie sich anders vorgestellt. Wie sie unter den Demütigungen Kates Würde wahrt, ist sehenswert.
Auch alle anderen Ladys entwerfen perfekte Porträts. Olivia Morgan skizziert Bianca als raffiniertes Biest, das seine Ziele still, aber beharrlich verfolgt; zum Publikumsliebling wird Joy Richardson, die als Biancas ältlicher Leider-Nein-Liebhaber Gremio im Golfer-Look genauso pointiert witzig ist wie als nobler Vicentio im Stadtpelz oder als heiratslustige Witwe mit karibischem Slang.
Globe-Gastspiele können süchtig machen!
KURIER-Wertung: ***** von *****
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