Filmemacher in der Jugendfalle

Die Großaufnahme eines reizenden Babys steht am Beginn von "Gefühlt Mitte Zwanzig". Fasziniert lauscht es dem als Einschlaf-Lied interpretierten Song "Golden Years" von David Bowie. Ein gefühlt Mitte Vierzig wirkendes Paar, gespielt von Naomi Watts und Ben Stiller, blickt verzückt auf das Kind – bis es von der wirklichen Mutter abgeholt wird. Damit wird klar, dass es sich bei dem Paar nicht um Eltern oder Großeltern handelt, sondern um Josh und Cornelia, zwei kinderlose New Yorker, die ihren Kinderwunsch einer letztlich doch nicht stattgefundenen Karriere geopfert haben. Rund um die beiden entwickelt sich die Story einer Midlife-Crisis, wie sie sich oft zwischen den Optimismus der Jugend und die viel zitierte "Weisheit des Alters" schiebt. Josh arbeitet seit acht Jahren an einem Dokumentarfilm, der die ultimative Wahrheit über den Weg Amerikas vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten in die Kapitalismus-Falle erzählen soll.
Jugend-Falle
Auf die Kapitalismus-Falle, in der sich Josh befindet, weil niemand die Fertigstellung seines Dokumentarfilms finanzieren will, folgt die Jugendfalle. Die Begegnung mit Jamie (Adam Driver) und dessen Frau Darby (Amanda Seyfried) scheint eine Wende in das Leben von Josh und Cornelia zu bringen. Jamie gibt sich als Bewunderer von Josh zu erkennen und nennt ihn sein Vorbild. Die Schmeicheleien vom jungen Möchtegern-Regisseur, der nicht gefühlt, sondern tatsächlich erst Mitte zwanzig ist, bauen Josh auf. Er überredet auch Cornelia dazu, viel Zeit mit dem jungen Pärchen zu verbringen.
Regisseur Noah Baumbach macht sich damit über ältere Paare lustig, die krampfhaft versuchen, mittels trendiger Kleidung und Hip-Hop-Training jugendlich zu wirken. Die Jugend – so die Erkenntnis – ist ein vorübergehender Zustand, den man weder durch schrilles Gehabe noch durch etwaige Schönheitsoperationen festhalten kann.
Altherrenzynismus

Dank der durchwegs guten Schauspieler hätte aus "Gefühlt Mitte Zwanzig" ein Film werden können, der Woody Allen durchaus Ehre gemacht hätte. Leider desavouiert Noah Baumbach, der selbst echte und wohl auch gefühlte Mitte vierzig ist, seine jugendlichen Protagonisten. Er lässt Josh erkennen, dass sein junger Bewunderer keine Alternative zur Midlife-Crisis bietet, sondern dass er lediglich als Epigone die Ideen seiner Vorbilder zu eigenen machen will. Als angehender Dokumentarfilmer ist Jamie – anders als Josh – nicht auf der Suche nach Wahrheit, sondern nach einer schnellen Karriere. Zwar gelingen dem routinierten Filmemacher, der Noah Baumbach zweifellos ist, immer wieder neue Spielarten von Situationskomik, die Ben Stiller ebenso routiniert serviert. Doch der wohlmeinende Humor, mit dem Baumbach den ebenfalls von Stiller gespielten Verlierer-Typ Roger in "Greenberg" begleitet hat, ist in "Gefühlt Mitte Zwanzig" leider einem Altherrenzynismus gewichen.
INFO: "Gefühlt Mitte Zwanzig". Komödie, USA 2015. 97 Min. Von Noah Baumbach. Mit Ben Stiller, Naomi Watts.
KURIER-Wertung:
Im Kino: "Gefühlt Mitte Zwanzig"
Der sensible Jay (Kodi Smit-McPhee) reist im Jahr 1870 von Schottland in den Nordwesten Amerikas, um dort seine angebetete Rose (Caren Pistorius) wiederzufinden. Die Gegend gehörte damals noch nicht zu den USA, was den Wild-West-Trip erschwert. Der wortkarge, stets an einem Zigarrenstummel kauende Kopfgeldjäger Silas (Michael Fassbender) bietet sich als Begleiter an.
Jay muss mitansehen, wie Männer in Uniform Menschen jagen, die sie als "Wilde" bezeichnen. Abträglich ist der postkolonialen Kritik, dass sich John Maclean in seinem in Neuseeland gedrehten Regiedebüt mit schwarzhumorigen Gewaltszenen Vorbildern wie den Coens und Jim Jarmusch etwas zu sehr anbiedert.
KURIER-Wertung:
INFO: "Slow West". Western. GB/NZL 2014. 84 Min. Von John Maclean. Mit Michael Fassbender, Kodi Smit-McPhee

Der Film "Margos Spuren" basiert auf dem Bestseller "Paper Towns" (2010) von John Green und erzählt nur auf den ersten Blick eine High-School-Romanze. Von der ersten Begegnung an war Quentin (Nat Wolff) in seine Mitschülerin Margo (Cara Delevingne) verliebt, aber zu schüchtern um ihr das zu sagen. Ein einziges gemeinsames Abenteuer liegt Jahre zurück. Zufällig entdeckten sie - damals neunjährig - die Leiche eines Selbstmörders. Inzwischen steht der Schulabschluss bevor und plötzlich steht Margo eines Nachts vor Quentins Fenster und bittet ihn um Hilfe: Er soll sie auf ihrem Rachefeldzug gegen Freunde, die sie enttäuscht haben, begleiten. Am nächsten Morgen ist Margo verschwunden.
Quentin sucht sie verzweifelt und findet Spuren, die ganz bewusst gestreut wurden. Es beginnt eine Reise zu einer Frau, die viel mehr ist, als er sich je erträumt hat und zugleich ganz anders, als er es je hat wahrhaben wollen. "Margos Spuren" schafft das Kunststück, eine Teenie-Abenteuerromanze zu erzählen und trotzdem keinen Moment lang rührselig oder gar peinlich zu sein.
KURIER-Wertung:
INFO: "Margos Spuren". Abenteuer-Romanze. USA 2015. 117 Min. Von Jake Schreier. Mit Nat Wolff, Cara Delevingne, Austin Abrams
Nancy (Lake Bell) ist Mitte 30, single und frustriert. Ihre Schwester versucht, sie unter die Haube zu bringen. Jack (Simon Pegg) ist 40, laboriert an der Scheidung von seiner Frau und will sie mit einer neuen Freundin ärgern.
Die Konstellation klingt nach einer britischen Version von "Liebesg’schichten und Heiratssachen" – und ist es irgendwie auch. Bei einem Zufallstreffen am Bahnhof hält er sie für sein "Blind Date" und sie klärt den Irrtum nicht auf. Flirtend und trinkend ziehen sie durch London, bis Nancys Schwindel auffliegt und sich ihre Wege wieder trennen. Da die Komödie nur von einer Idee lebt, zieht es sich ein wenig bis zum Happy End. Trotz britischen Humors und guter Schauspieler.
KURIER-Wertung:
INFO: "Es ist kompliziert". Beziehungskomödie. GB 2015. 88 Min. Von Ben Palmer. Mit Simon Pegg, Lake Bell, Rory Kinnear

Oops! Die Arche ist weg
Animation Wer sich fragt, wie einst Kakerlaken, Stechmücken, Nacktschnecken und derlei Getier auf Noahs Arche gelangt sind, ist in diesem Film richtig. Quietsch-bunte Fabeltiere werden am Ticketschalter abgewiesen und versuchen, trotzdem auf die Arche zu kommen.
KURIER-Wertung:
The Vatican-Tapes
Horror Das neueste Machwerk zum Thema Exorzismus bietet Zutaten, die man aus diesem Genre kennt: Hochgehaltene Kreuze, eklige Körperflüssigkeiten und ordinäre Teufelsstimmen aus zarten Mädchenkörpern. Angeblich lagern im Vatikan Tausende Videofilme von echten Exorzismen. Man kann nur hoffen, dass diese nicht auch noch ins Kino kommen.
KURIER-Wertung:
Pixels
Sci-Fi Außerirdische missinterpretieren das irdische Freizeitvergnügen der Arcade-Videos als Kriegserklärung. Real gewordene Pac-Men und Donkey Kongs greifen die Erde an. Ein Videospiel-Champion ist die letzte Hoffnung.
KURIER-Wertung:
Toto und seine Schwestern
Doku Herzzerreißende Doku des rumänischen Regisseurs Alexander Nanau über den zehnjährigen Toto und seine zwei Schwestern in den Slums von Bukarest.
KURIER-Wertung:
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