Attentat auf Juden schürt Judenhass

Attentat auf Juden schürt Judenhass
Karl-Markus Gauß über Antisemitismus und die seltsame Liebe zur Hamas.

„Es fehlen die Worte“ lautete kürzlich der Titel eines Leitartikels der Zeit. Er befasste sich anlässlich der Freilassung israelischer Geiseln mit dem Grauen, das die Hamas-Schergen ihren Opfern in Haft angedeihen ließen; und mit der Frage an die, „die sich nach dem 7. Oktober in Kritik an Israel übten: Was habt ihr konkret für die Geiseln getan?“

Karl-Markus Gauß fehlen die Worte nicht. Er ist ein Wortgewaltiger, und zwar im besten Wortsinn: Er weiß mit Wörtern und Worten umzugehen, wie nicht viele zeitgenössische Dichter und Denker im deutschen Sprachraum. Gauß ist einer, der mit Sprache eindrückliche Beschreibungen ziselieren, Bilder im Kopf formen und brillant analysieren kann. Aber wenn er Zorn verspürt, dann sind seine Worte scharf wie Messer.

Und Gauß ist zornig. Über den immer noch vorhandenen und den neu hinzugekommenen Antisemitismus in unserer Gesellschaft. Nun hat der 70-jährige Salzburger in einem Büchlein unter dem Titel „Schuldhafte Unwissenheit“ Essays wider Zeitgeist und Judenhass zusammengefasst – neue Texte, gehaltene Reden, erschienene Essays. Und er beginnt aus aktuellem Anlass mit „Das umjubelte Massaker“. Er sei einige Wochen vor dem Überfall der Hamas gefragt worden, „womit der Antisemitismus am leichtesten angeheizt werden könne. Heute müsste ich antworten: indem man möglichst viele Juden massakriert.“ Das sind keine fehlenden Worte, das ist messerscharf auf den Punkt geschrieben. „Nichts hat den Judenhass stärker befeuert als die schlimmste Attacke auf Juden seit der Shoa, und weil die Attacke gegen Juden geführt wurde, kann es sich bei den Vergewaltigern und Mördern nur um ‚Widerstandskämpfer‘ gegen die jüdische Fremdherrschaft in Palästina handeln.“

„Campusradikalität“

Vom „Kontext“ werde geschwafelt, in dem man die Taten sehen müsse, Linke, Antiimperialisten und Intellektuelle feierten die Abschlachter. Warum gerade die Linke? Früher sollte aus marxistischer Sicht die internationale Arbeiterklasse „die Menschheit aus Unterdrückung und Entfremdung befreien“ – dieses Ziel hat sich verflüchtigt, jetzt würden „zu Zeiten woker Campusradikalität beliebige Gruppen von Opfern und von vermeintlichen oder tatsächlich Benachteiligten zu Projektionsflächen revolutionärer Anliegen“. Und sei es auf Kosten von Massenmord.

Gauß erzählt viel in seinen Essays – von Herzl bis zum „hausgemachten“ Pogrom im polnischen Jedwabne, über die Wiener Poldi Weiss und Eugen Hoeflich in Palästina und viele weitere Geschichten. Von denen die Hamas-Bejubler und Israel-Vernichter ebenso keinen Tau haben wie vom großen Ganzen (auch davon nicht, dass der Hamas die Palästinenser kreuzegal sind): „Sie wissen von nichts, das macht sie so unbeirrbar. Sie haben keine Ahnung, daraus beziehen sie ihre Überzeugung“, schreibt Gauß. Zornig. Und das zurecht.

Attentat auf Juden schürt Judenhass

Karl-Markus Gauß: „Schuldhafte Unwissenheit“, Czernin, 128 S., 22,00 Euro

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