Ausgebügelt
Die Retrospektive, die Kurator Ivan Ristić für das Leopold Museum zusammenstellte (bis 18. 2.), hat also viele Fehlzuschreibungen auszubügeln – und eine enorm wichtige Künstlerin vorzustellen, die man in Wien dennoch kaum kennt. Die Aufgabe gelingt durch einen Ausstellungsparcours, der nahe an der bewegten und faszinierenden Biografie Münters gebaut ist.
Von Fotografien, die die 1877 geborene Tochter aus gutem Hause um 1900 in Texas oder Alabama machte – sie reiste „ohne Anstandsbegleitung“ mit ihrer Schwester zwei Jahre lang durch den Wilden Westen – führt der Weg über frühe malerische Versuche zur Entdeckung eines Stils der reduzierten Formen und starken Farben. Die Entwicklung machte sie an der Seite Kandinskys durch, der oft als ihr „Lehrer“ firmierte: Tatsächlich standen die beiden im Austausch und befeuerten einander.
Einfach und exakt
Es gibt einige glückliche Bildpaarungen in der Schau, die Münters Genie klar veranschaulichen: Zwei Variationen von Ansichten ihres gelben Hauses im bayrischen Murnau führen vor, wie sich Münter in ein Bildthema verbeißen konnte und mit Form und Farbe experimentierte, bis die Stimmung eines matschigen Spätwintertags auf den Punkt gebracht war. Das Bild „Im Zimmer“ (1913) zeigt, wie die selbst kinderlose Künstlerin mit ihrer Nichte malte und deren Bilder in ein eigenes Werk einbaute – die Originale der damals Zehnjährigen hängen nebenan.
Die Zeitgenossen legten Münter den Hang zum Einfachen und zur Volkskunst – den die männlichen Kollegen genauso pflegten – als Naivität und „weibliche Gedankenferne“ aus. Nicht zuletzt ihr Partner Johannes Eichner, der mit solchen Zuschreibungen versuchte, Münters Kunst in die NS-Ideologie einzupassen, schuf Klischees, die an der Pionierin kleben blieben.
Es reicht, im Leopold Museum die Augen aufzumachen, um zu sehen, dass hinter Münters Reduktion enorm viel Genauigkeit steckte. „Je größer die Verwirrung im Leben, desto notwendiger die Klarheit in der Kunst“, sagte sie: Das Zitat am Ende der Schau macht sie nochmals aktueller für die heutige Zeit.
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