Frequency: Spanferkel im Weltall

Der Fortschritt macht, man kennt das vom täglichen Kampf mit dem Mobiltelefon, allzu oft ein Update nötig.
Das betrifft nun auch eine legendäre Textzeile von Nirvana. "Da sind wir nun, unterhaltet uns", murrte Kurt Cobain damals der Jugend aus der geschundenen Seele. Der zeitgemäße Zusatz muss lauten: "Egal wie."
Oder richtiger:
"EGAL wie!"
Folgerichtig tritt nun bei Musikfestivals wie dem 15. Frequency ein fröhlicher Bilderzirkus auf, der ohne Rücksicht auf irgendetwas all das zusammenwürfelt, was schön ist am Pop.
Pop! Pop!
Das Ergebnis ist etwas, was André Heller, würde er dereinst überraschend als Festivalveranstalter wiedergeboren, wohl als Zirkusshow "Pop! Pop!" um die Welt schicken würde. Auftritte haben unter anderem: Meterdick aufgetragene Großraumdisco-Satire (Sexytanz! Plastikkugel-Crowdsurfing! Alle paar Sekunden ein anderes Lied!) bei Major Lazer.
Grübelmusik zum Zuhören bei Alt-J.
Polohemd, Spießerbrille und Weißhaar-Schopf bei den Altherrenpunkrockern Bad Religion.
Ein Spanferkel.
Hängematten, ein U-Boot als Alkoholtränke. Schlamm. Vegetarischer Döner (?).
Politischer Protest kommt von Bands, die Namen wie „Frittenbude“ tragen. Und zuerst „keine Grenzen“, „keine Heimat“ besingen, um kaum 100 Beats weiter Scooter zu zitieren.
Hyper! Hyper!
Kennen Sie die Abkürzung "WTF"? Wenn nicht, bitte die Suchmaschine Ihres Vertrauens zu bemühen, um herauszufinden, wofür das steht; dieses Gefühl hat man jedenfalls beim Frequency auf Dauer.
Absolut alles geht. Nein, lustigerweise eines nicht: Ellie Gouldings Frontalunterrichtspop war ein großes Missverständnis. Ernst nehmen kann man nämlich längst nur noch das, was sich nicht ernst nimmt.
Ansonsten aber war, und das lag nicht zuletzt an den abschließenden Chemical Brothers, der Auftakt einer der besten erinnerlichen Tage bei einem österreichischen Festival. Der eher breite Spagat zwischen Punkrock, Hip-Hop, Pop und der Verlockung, schnell mal ein Tattoo zu stechen, ist sich wie selbstverständlich ausgegangen. Und dass der Tag dann auch noch in elektronischer Tanzmusik mündete (es! braucht! keine! Punkschlagerheadliner!), bringt den aktuellen Pop auf den schönen Punkt: Genregrenzen sind etwas für Spießer.
Tag zwei
Am zweiten Tag trug man programmatisch eher breit als tief auf, mit dem sehr, sehr geraden Sound von Simple Plan, dem Konsenspunkrock von The Offspring und dem pragmatisierten Headliner Prodigy. Auf nicht ganz unangenehme Weise fühlte man sich beim Elektronik-Trio Nero an diese Werbungen für Handy-Klingeltöne erinnert. Zeitgleich mischte Kwabs Soul (!) und Jazz (!!). Und das war dann doch arg.
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