"Frank": Ein Pappmaché-Kopf steht auf der Bühne

Michael Fassbender hatte schon viele exzentrische Rollen zu spielen, aber gesichtslos war er dabei nie. Dieser Herausforderung stellt er sich nun in dem schrägen, atmosphärisch etwas unsteten Sundance-Hit "Frank": Als Frontman einer unaussprechlichen Band namens "Soronprfbs" zeigt sich Fassbender als Frank nie ohne Maske. Wo andere ihren Kopf tragen, hat er einen Papiermaché-Schädel übergestülpt – sogar beim Duschen. Dass sich unter der singenden Kugel der tolle Fassbender austoben soll, wird fast zur Glaubenssache. Mit seinem aufgemalten Haarscheitel und den blanken, aufgerissenen Augen erinnert er stark an ein Playmobil-Männchen.
Ähnlich wie dem Publikum geht es dem jungen Brit-Musiker Jon: Er stößt zufällig als Keyboarder zur Band, gerät völlig in den Bann des manischen Frank und hat eigentlich (fast) nur einen Wunsch: ihm den Ballon vom Kopf zu reißen, um sein wahres Gesicht zu sehen.
Die Geschichte von "Frank", die der irische Regisseur Lenny Abrahamson zerrissen zwischen skurrilem Witz und echtem Drama erzählt, basiert auf dem Schicksal des britischen Punk-Rock-Comedien Chris Sievey. Sievey trat in der Öffentlichkeit als Frank Sidebottom mit Band und Pappmaske auf und absolvierte bizarre Auftritte.
Sein ehemaliger Keyboarder Jon Ronson lieferte nun den Stoff für das Drehbuch zu "Frank" – und schrieb sich dabei die wenig sympathische Rolle des neuen Keyboarders Jon auf den Leib.
Rothaarig
Jon – wunderbar rothaarig: Domhnall Gleeson – entpuppt sich als talentlos, aber ehrgeizig. Der Sound der "Soronprfbs" (übrigens von den Schauspielern selbst formidabel eingespielt und gesungen) klingt wie eine Mischung aus Kraut-Rock á la "Can" und minimalistischem Post-Punk und besitzt weniger Fans, als man an einer Hand abzählen kann. Als sich die Band in den Wald zurückzieht und mit Proben beginnt, hält Jon via YouTube und Twitter eine "Fangemeinde" auf dem Laufenden.
Frank ist das (psychisch kranke) Musikgenie der Band und schafft es, selbst einen losen Teppichfaden zum Helden eines lyrischen Songs zu machen. Maggie Gyllenhaal als furchterregende Clara beschwört das Theremin und sticht Jon, dem Streber, ein Messer ins Bein. Ihre Gruppendynamik zwischen Saufgelage und Selbstmord entfacht ein intensives Wechselbad der Gefühle – traurig, lustig, zartfühlend, schrill, manchmal berechenbar, immer berührend.
INFO: "Frank". Tragikomödie GB/IRL/ USA 2014. 95 Min. Von Lenny Abrahamson. Mit Michael Fassbender, Dohmnall Gleeson, Maggie Gyllenhaal.
KURIER-Wertung:
Im Kino: "Frank"
Auch Meryl Streep hat man – ähnlich wie Michael Fassbender – bereits in unterschiedlichsten Rollen (altern) gesehen, noch nie aber als Rock-Star. In Jonathan Demmes liebenswürdigem, wenn auch unbalanciertem Familien-Melo spielt Streep nicht nur eine alternde, sondern auch noch eine erfolglose Rock-Lady mit dem etwas lächerlichen Namen Ricki Rendazzo. Ricki Rendazzo tritt allabendlich mit Band in einem Pub auf und arbeitet tagsüber als Kassiererin im Supermarkt, um sich über Wasser zu halten. Ein Anruf ihres Ex-Mannes (immer herrlich: Kevin Kline) holt sie in dessen Luxus-Villa zurück, um sich um die depressive Tochter zu kümmern.
Meryl Streep in schwarzer Lederjacke, Boots und geflochtenen Zöpfchen ("Mutter, du siehst aus wie eine Nutte") liefert auf der Bühne famose Auftritte. Das Familiengestreite hingegen in der Luxus-Villa zwischen Rockstar-Mutter, Ex-Mann und Tochter trägt alle Züge einer Hochglanz-Soap-Opera mit Sitcom-Elementen: Durchwegs unterhaltsam, aber bis zum vorhersehbaren Ende auch reichlich süßlich.
INFO: "Ricki – Wie Familie so ist". Tragikomödie. USA 2015. 101 Min. Von Jonathan Demme. Mit Meryl Streep, Kevin Kline.
KURIER-Wertung:

Als sich am Ende die Schleusen öffnen und Tränen fließen, ist es geschafft: Raf Simons hat sich kurz vor der Präsentation seiner ersten Haute-Couture-Kollektion für das renommierte Modehaus Dior zurückgezogen und zeigt zum ersten Mal Gefühle. Die Geschichte, die Regisseur Frédéric Tcheng in "Dior und Ich" erzählt, ist die Geschichte einer Entstehung: Nachdem John Galliano nach antisemitischen Äußerungen als Chefdesigner von Dior ins Exil geschickt wurde, übernahm der bei Jil Sander groß gewordene Belgier die kreative Leitung. Die auch für Mode-Laien sehenswerte Doku blickt vor allem in die Nähzimmer, wo das Team am Rande des Nervenzusammenbruchs die Ideen des Modeschöpfers umsetzt.
INFO: "Dior und Ich". Doku. F 2014. 90 Min.Von Frédéric Tcheng. Mit Raf Simons, Pieter Mulier, Anna Wintour.
KURIER-Wertung:

Jason Statham hat nach drei kommerziell überaus erfolgreichen Filmen im "Transporter"-Franchise das Lenkrad abgegeben und Ed Skrein überlassen. Nun klemmt sich Skrein in Maßanzug und schicker Sonnenbrille hinter das Steuer seines glänzenden Audis (der heimliche Hauptdarsteller des Films) und übernimmt als Frank Martin Auftragsfahrten, ohne viele Fragen zu stellen. Seine neue Kundin trägt blonde Perücke und schwört einem russischen Mafioso tödliche Rache. Unglücklicherweise hat sie Martins Vater in Geiselhaft und zwingt ihn, nach ihrer Pfeife zu tanzen. Eine turbulente Abfolge an maßvollen Action-Szenen mit hübschen Frauen und flotten Sprüchen an der französischen Riviera folgt. Moderat vergnüglich.
INFO: "The Transporter Refueled". Action. F/ 96 Min. Von Camille Delamarre. Mit Ed Skrein, Loan Chabanol, Ray Stevenson.
KURIER-Wertung:

Drama.Zwei beste Freundinnen tauschen zuerst ihre Kleider – und dann auch noch ihre Identitäten. Denn die eine fällt von einem Felsen herunter, und die andere schlüpft in das Leben der Toten.
Die in Kroatien geborene, in der Schweiz wohnhafte Andrea Štaka lieferte mit "Cure " den Nachfolgefilm zu ihrem Spielfilmdebut "Das Fräulein", der 2006 in Locarno den Goldenen Leoparden gewann. "Cure" spielt 1993 in Dubrovnik, kurz nach dem Ende der Belagerung. Die junge Linda übersiedelt aus der Schweiz zu ihrem Vater nach Kroatien und freundet sich mit Eta an. Als diese verunglückt, tun alle so, als wäre kaum etwas passiert. Linda schlüpft in die Rolle der Toten und wird von deren Großmutter sofort als Doppelgängerin akzeptiert. In Lindas Fantasie taucht Eta immer wieder auf und kommentiert das Geschehen – was die Geisterhaftigkeit verstärkt.
Martin Gschlachts Kamera fängt eindrucksvoll glasklare Bilder ein, die junge Sylvie Marinkovic als Linda beeindruckt mit ihrem Spiel. Doch letztlich bleibt die Geschichte in einer Rätselhaftigkeit stecken, die mehr nebulos als dringlich erscheint.
INFO: "Cure – Das Leben einer Anderen". Drama. CH/HR/BA 2014. 83 Min. Von Andrea Štaka. MIt Sylvie Marinkovic.
KURIER-Wertung:
Der Sommer mit Mama
Komödie Im Film der brasilianischen Regisseurin Anna Muylaert wird die gesellschaftliche Hierarchie-Struktur Brasiliens mit einer herrlichen Portion Humor hinterfragt. Erzählt wird die Geschichte von Val (Regina Casé ), einer treuen Seele, die für eine reiche Familie aus São Paulo den Haushalt schupft. Als ihre Tochter die strenge Hierarchie des Villenhaushaltes durcheinander bringt, brodelt es im vermeintlich idyllischen Familienparadies gewaltig. Sozialkritische Komödie mit viel Pfiff und Pfeffer.
KURIER-Wertung:
French Women – Was Frauen wirklich wollen
Tragikomödie Gleich eine ganze Riege an französischen Filmstars – von Vanessa Paradis bis Isabelle Adjani – kämpft mit ihrem Liebesleben. Und schlägt sich mit allen möglichen (und unmöglichen) Problemchen herum.
Kind 44
Action Tom Hardy spielt einen Militärpolizisten zur Zeit von Stalin. Nachdem die Leichen von Kindern auftauchen, nimmt er entgegen der Vorschriften die Untersuchung auf – und bringt sich in Gefahr.
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