"Philomena": Rührend ohne Rührseligkeit
Flapsig könnte man behaupten: Man kennt solche Geschichten aus dem Fernsehen schon lange. Unter Titeln wie "Vermisst" findet man da gern Menschen, die irgendwer sucht, weil sie irgendwie, irgendwann und irgendwo verloren gingen.
Reporter gehen Spuren nach, suchen das Wiedersehen, die Tränen vor der Kamera, suchen jene Sentimentalität, die Quote macht.
Auch der Film "Philomena", der auf wahren Ereignissen (und einem gleichnamigen Buch) beruht, beginnt so.
Ein ehemals prominenter BBC-Journalist und Politikberater hat keinen Job mehr und lässt sich deshalb zu einer sogenannten "Human Interest"-Story herab. Einer Herzschmerz-Geschichte, eigentlich unter seiner Würde.
Kind verkauft
Diese kommt ihm in Gestalt von Philomena entgegen: einer ehemaligen Krankenschwester, einer einfachen, gläubigen Frau. Aufgewachsen in einem Kloster in Irland hat sie vor 50 Jahren in den klösterlichen Mauern einen Sohn geboren: nach unerlaubtem Sex und der unerhörten Sünde, das Keuschheitsgebot gebrochen zu haben. "Ich habe damals gar nicht gewusst, dass ich eine Vagina habe", wird sie dem Reporter dazu später sagen.
Nur einmal am Tag durfte sie (und andere junge Jungmütter mit gleichem Schicksal) ihr Kind sehen. Nur wenige Jahre das Kind überhaupt behalten. Denn alle wurden gezwungen, Adoptionsfreigaben zu unterschreiben. Die Kinder wurden verkauft (eines – so die Historie – übrigens auch an Hollywood-Star Jane Russell). Drei Jahre ist dann Philomenas Sohn erst alt, als er von einem Tag auf den anderen mit Adoptiveltern verschwindet.
Philomena kann ihm nur noch durch die Gitterstäbe des Tors nachschauen. Sie wird ihn nie wieder sehen.
Soweit die Geschichte, die Martin, der Journalist, aufzeichnen und nebenbei den inzwischen 50-jährigen Sohn suchen soll.
Soweit, so erwartbar. Und der Film wäre Malen nach Zahlen, handelte es sich nicht um dieses herrlich ungleiche Paar: Er, arroganter Journalist und Atheist, der am liebsten nur Bücher über russische Geschichte schreiben würde (Steven Coogan). Sie, eine ungebildete Frau, die Oxford und Cambridge nicht auseinanderhalten und gerne mal den Inhalt kitschiger Dreigroschenromane nervenzerfetzend ausführlich referiert.
Sie ist: Judi Dench, in England mindestens so beliebt wie die Queen. Und das zu Recht. Unglaublich, wie sie Philomena, die gar nicht so einfach ist, wie sie scheint, ihre Schauspielkünste zu Füßen legt. Trotz allen Unrechts ist Philomena immer noch gläubig und hat Respekt vor Kloster und Kirche. Martin, der Atheist (und auch wir Zuschauer) wiederum können das so gar nicht verstehen.
Herzensklug
Martin ist klug, aber Philomena herzensklüger. Geschickt schraubt das Drehbuch die beiden ineinander und bohrt sich in tiefere Fragen hinein: Was bitte bedeutet Glaube? Was Klugheit? Und vor allem: Was heißt es, verzeihen zu können?
Regisseur Steven Frears ("The Queen") führt virtuos vor, wie ein Film, der wie ein Fernsehformat beginnt, zu Kino auflaufen kann. Wie man Trauerspiel und Wohlfühlkino vereint und Unterhaltung schafft, die ziemlich klug ist. Ihn interessiert weniger Kritik an der Kirche oder das Aufzeigen des historischen Skandals . Ihn interessiert die persönliche Schuld.
Dabei setzt er clever auf Komik statt Tragik und selten, ganz selten nur auf Tränen.
Sie werden in aller gebotenen Schlichtheit dennoch fließen. Kaum vorstellbar, dass jemand aus dem Kino gehen wird können, ohne von dieser Geschichte einer Mutter, diesem Film über Vergebung, nicht irgendwie gerührt zu sein. Und das ganz ohne Rührseligkeit.
KURIER-Wertung:
INFO: Philomena. IR/GB 2013. 98 Min. Von Stephen Frears. Mit Judi Dench, Steven Coogan.
Filme wie dieser werden kaum gemacht. Digitale Dreigroschenfilme, herrlich trivial, herrlich ehrlich: mit dem spektakulärsten Aschenregen, den zornigsten Gladiatoren, den geballtesten Fäusten, den schönsten Frauen. Viele Filmemacher hat die berühmte Naturkatastrophe inspiriert: Im Jahr 79 n. Chr. brach der Vesuv aus, verschüttete die Stadt Pompej und konservierte sie für die Ewigkeit.
Der britische "Resident Evil"-Regisseur Paul W.S. Anderson, Großmeister der Actionsinszenierung, lässt hier den guten alten Sandalenfilm wiederauferstehen und inszeniert einen Gladiatoren-, Desaster- und Liebesfilm mit Mut zum Kitsch. Es ist die alte Klassentrennungsgeschichte: Reiches Mädchen verliebt sich in keltischen Sklaven ("Games of Thrones"-Star Kit Harrington), der mitansehen musste, wie die Römer seine Familie abschlachteten. Anderson zeigt den Tanz einer ungerechten, kapitalistischen, ausbeuterischen Welt am Fuße des Vulkans (deren herrlicher Vertreter: Kiefer Sutherland). Sie kann nur dem Untergang geweiht sein.
KURIER-Wertung:
INFO: Pompeji 3-D. USA 2014. 110 Min. Von Paul W.S. Anderson. Mit Kit Harrington, Kiefer Sutherland.
Niemand würde wohl so schnell auf die Idee kommen, ausgerechnet den Briten Kenneth Branagh einen Russen spielen zu lassen. Niemand außer Kenneth Branagh selbst. Aber er ist ja auch der Regisseur dieses Films.
Mit Keira Knightley, Chris Pine, Kevin Costner und sich selbst als russischem Oberbösewicht hat er Tom Clancy verfilmt und ja, dabei offenbar ganz schön viel übers Casting nachgedacht, aber nein, leider viel zu wenig übers Drehbuch.
Als böser Russe will er die Wall Street zerstören. Mittels eines unfassbar komplizierten Plans, den niemand versteht. Doch blöderweise taucht kurz vor dem Ziel Jack Ryan in Moskau auf (und im Schlepptau dessen eifersüchtige Frau alias Keira Knightley, die keine Ahnung hat von Ryans Leben als CIA-Agent). Der Actionthriller hat wenig Thrill, und – was noch schlimmer ist – wenig nennenswerte Action. Aber Kenneth Branagh redet Russisch und sitzt mit Kevin Costner undercover auf der Parkbank. Ah, endlich mal wieder Kevin Costner.
KURIER-Wertung:
INFO: Jack Ryan: Shadow Recruit. USA 2013. 105 Min. Von und mit Kenneth Branagh. Mit Chris Pine.
Jappeloup – Eine Legende
Sportfilm: Jeder, der mit Hugo Simon aufgewachsen ist (also fast alle), wird sentimental werden: "Jappeloup" ist eine wahrhaft bewegende Geschichte um einen legendären französischen Springreiter, meist in wahrhaft bewegender Sonnendurchflutung gefilmt. Es wird viel geritten, viel gesprungen, viel gestürzt und wieder aufgerappelt: Es geht um Karriere, Vater und Sohn und natürlich Jappeloup. So heißt das Pferd, nicht der Reiter. Hoch und Tief und Lernen eines Leistungssportlers.
KURIER-Wertung:
Tomorrow you will leave
Doku: Eine schlichte, eine komplexe Erzählung: Martin Nguyen, junger österreichischer Filmemacher, porträtiert seinen vietnamesischen Vater, der in Niederösterreich heimisch geworden und doch fremd geblieben ist.
KURIER-Wertung:
Die Abenteuer von Mr. Peabody & Sherman
Animation: Shermans Leben ist echt nicht normal. Sein Adoptivvater ist ein Hund und nebenbei Universalgenie. Er hat eine Zeitmaschine entwickelt, mit der Vater und Sohn durch die Geschichte reisen. Rasendes Animationsspektakel vom "König der Löwen"-Regisseur , nicht als Geschichtslektion geeignet.
KURIER-Wertung:
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