Superheldin bis zum Upload

Selbst der Delfin ist schlauer als der Mensch. Er verwendet zwanzig Prozent seiner Gehirnzellen. Der Homo sapiens hingegen hat lediglich zehn Prozent in Verwendung. Was wäre aber, wenn ein Mensch tatsächlich seine gesamte Hirnmasse zu hundert Prozent nützen könnte?
Er wäre Scarlett Johansson als Lucy, Luc Bessons neue Superheldin mit Superhirn. (Zwar ist wissenschaftlich gesehen bereits die Prämisse, dass der Mensch nur zehn Prozent seines Gehirns benützt, Schmafu. Aber wir befinden uns ja auch im Kino und nicht auf der Uni.)
Im Kino kann Lucy dank ihrer gigantischen Brainpower Gedanken lesen, die Schwerkraft aufheben und asiatische Mafiosi wegblasen wie Badeschaum.
Dabei war Lucy ursprünglich nur eine harmlose Studentin in der falschen Gesellschaft. Sie wird entführt und dazu gezwungen, ein Päckchen Drogen in ihrem Bauch zu transportieren. Ein Schlag in den Magen sprengt die Verpackung, die Droge verbreitet sich in ihrem Körper und macht sie unverwundbar.
Bessons feministisch durchtränkter, stilistisch exaltierter Blockbuster treibt die Handlung zwischen Taipeh und Paris launisch vor sich her. Dabei gefällt sich der Franzose ("Das Fünfte Element") in der Rolle des philosophischen Schlaubergers. Nichts weniger als die Evolution der Menschheit steht auf dem Spiel – und schon stapfen Dinosaurier wie aus Terrence Malicks "Tree of Life" durchs Bild.
Auch sonst lassen sich unschwer visuelle Einflüsse von "Matrix" bis "2001: Odyssee im Weltraum" erkennen. Selbst Tierfilme (inklusive kopulierender Nashörner und Frösche) haben es in Bessons metaphysisches Pop-Universum geschafft.
Kongenial fettete er seinen bewusst trashigen, dabei rundum unterhaltsamen Eurofighter mit US-Star-Power auf: Die schöne Scarlett Johansson marschiert mit somnambulem Blick souverän durch Gegenwart und Vergangenheit ihrem skurrilen Ende entgegen. Bis zum finalen Upload – gespeichert auf einem USB-Stick.
KURIER-Wertung:
INFO: Lucy. F 2014. 89 Min. Von Luc Besson. Mit Scarlett Johansson, Morgan Freeman, Min-sik Choi.



Für Pixar-verwöhnte Zuseheraugen sieht Disneys neue Flugschau vergleichsweise enttäuschend aus. In "Planes 2" herrscht anstelle überbordender visueller Einfälle überschaubare Bildgestaltung. Im Vordergrund fliegen Flugzeuge, im Hintergrund steht der Wald – da macht sich fast Low-Tech-Nostalgie-Feeling breit. Auch die Story ist nicht mit sprühendem Dialogwitz angereichert, sondern favorisiert klare Ansagen: Flugrennstar Dusty kann aufgrund eines Getriebeschadens keine Rennen mehr fliegen und sattelt daher auf die fliegende Feuerwehr um. Gemeinsam mit anderen Fluggeräten bekämpft er Waldbrände im Nationalpark. Moralisch gediegenes Abenteuer, das sich besonders für kleinere Kinder anbietet.
KURIER-Wertung:
INFO: Planes 2 – Immer im Einsatz. USA 2014. 83 Min. Von Roberts Gannaway.

Trotz des betulich-langweiligen deutschen Verleihtitels "Unter dem Regenbogen" sollte man sich Agnès Jaouis neues Regie-Meisterstück auf keinen Fall entgehen lassen. Der französische Originaltitel "Au bout du conte" suggeriert durch ein Wortspiel das "Ende eines Märchens" – und dort wartet bei Jaoui nicht immer der Märchenprinz. Wieder hat die Regisseurin gemeinsam mit Jean-Pierre Bacri das Drehbuch geschrieben – und beide haben sich herrliche Rollen auf den Leib geschneidert.
Jaoui spielt eine schusselige Mitsechzigerin, die als gescheiterte Schauspielerin im Kindertheater Märchen inszeniert. Gleichzeitig stiftet sie zarte Bande unter ihren Bekannten und Verwandten. Ihre hübsche Nichte trifft auf ihren Märchenprinzen, der unschwer daran zu erkennen ist, dass er – wie einst Aschenbrödel – bei seinem überstürzten Abgang einen Schuh verliert. Und prompt lauert der böse Wolf in Form eines feschen Musikkritikers auf die junge Frau.
Doch nicht nur die junge Generation laboriert an ihrem (Liebes-)leben. Auch die älteren Kaliber kommen nur schwer zurecht. Jean-Pierre Bacri als schlecht gelaunter Einzelgänger fällt in Melancholie, weil ihm eine Wahrsagerin sein Todesdatum vorhergesagt hat. Und das, obwohl er nicht einmal an Wahrsagerei glaubt.
Gekonnt verzahnt Jaoui dramatische Drehmomente im Leben ihrer Protagonisten mit einem märchenhaften Subtext. Das macht die Erzählungen aber keineswegs unwirklicher, sondern nur exquisit witzig. Unter dem Regenbogen.
KURIER-Wertung:
INFO: F 2013. 112 Min. Von und mit Agnès Jaoui. Mit Jean-Pierre Bacri, Agathe Bonitzer.
Acht Monate lang begleitete Tom Berninger die Band seines Bruders als Roadie auf Tour. Ein Bandporträt gelingt dem Möchtegern-Filmemacher trotzdem nicht. Noch nicht einmal eine einfache Rock-Doku. Also beschließt er, sich selbst zum Mittelpunkt zu machen. Das berührend witzige "Mistaken for Strangers" erzählt die Geschichte des kleinen Bruders und wie er den großen sieht, sich dabei selbst findet ... und einen großartigen Film macht.
KURIER-Wertung:
INFO: "Mistaken for Strangers". USA 2013. 75 Min. Von Tom Berninger. Mit Matt Berninger und The National
"Warum hört man mit allem auf, was Spaß macht?" fragt sich Anne und zieht mit ihren zwei alten WG-Bewohnern aus Studententagen wieder zusammen. Für die "echten" drei Studenten, die über den Senioren wohnen, ist Spaß hingegen ein Fremdwort. Sie sitzen den ganzen Tag in ihrer sterilen Wohnung, deren Ordnung an die eines Museums erinnert – und lernen für die Abschlussprüfungen.
Laute Musik und lustige Althippies, die zwischen bunten Teppichen und zusammengewürfelten Möbelstücken Wein aus Wassergläsern schlürfen, können sie dabei gar nicht brauchen.
Was sich nach typischer Generationenclash-Komödie anhört, bietet aber auch gesellschaftspolitische Themen: Steigende Mietpreise, auf Leistung getrimmte junge Menschen und Altersarmut regen zum Nachdenken an.
Von Anfang an ist klar: Am Ende haben sich alle lieb. Das macht aber nichts, dank der spritzigen Dialoge bleibt man hängen. Unglaublich, dass Regisseur Ralf Westhoff drei Jahre darüber gegrübelt hat. Wirken sie doch wie frei aus dem Bauch heraus.
KURIER-Wertung:
INFO: Wir sind die Neuen. D 2014. 91 Min. Von Ralf Westhoff. Mit Gisela Schneeberg, Heiner Lauterbach.
Saphirblau
FantasyDer zweite Teil der Verfilmung von Kerstin Giers "Edelstein"-Trilogie versickert zwischen klischierter, biederer Teenie-Romanze und unbeholfenem Fantasy-Kostümschinken. Die junge Gwendolyn Shepherd (Maria Ehrich) als Zeitreisende zwischen der Gegenwart und dem 18. Jahrhundert gerät an einen hinterhältigen Grafen (verkleidet: Peter Simonischek) und scheitert am Menuett-Tanzen. Neben dem Liebeskummer mit Boyfriend Gideon de Villiers (Jannis Niewöhner) muss sie auch das Rätsel des verschwundenen Chronografen lösen, um einen wichtigen Blutkreislauf zu schließen. Insider kennen sich aus – doch unbeholfene Choreografien wie etwa einer Tanznummer aus der Rocky Horror Picture Show und viel Elite-Gequassel von den Mitgliedern einer Geheimloge garantieren noch kein originelles Kinoerlebnis.
KURIER-Wertung:
Dido Elizabeth Belle
DramaIm England des Jahres 1769 zeugt ein angesehener Offizier mit einer Sklavin ein Kind. Er überlässt es seinem Onkel, – einem Richter –, der das Mädchen standesgemäß erzieht. Allerdings wird Dido aufgrund ihrer Hautfarbe von der höheren weißen Gesellschaft geschnitten. Unaufgeregtes, gediegenes Gesellschaftsdrama, das Missstände Englands im ausgehenden 18. Jahrhundert kühl in den Blick nimmt.
KURIER-Wertung
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