Filmkritik zu "Der Kolibri": Schicksalsgemeinschaft statt Liebesbeziehung

Tragische Lebensgeschichte eines italienischen Arztes und seiner großen Jugendliebe: "Der Kolibri - Eine italienische Familienchronik"

Von Gabriele Flossmann

Im Mittelpunkt des Plots steht Marco Carrera, der 1959 in Florenz geboren wird. Der hübsche Bub ist sportlich begabt, ein talentierter Skifahrer, Tennisspieler und ein ewiger Unruhegeist, weswegen ihn seine Mutter „Kolibri“ nennt.

Tragödien pflastern Marco Carreras Lebensweg. Was ihn immer wieder vorantreibt, ist paradoxerweise die Sehnsucht, endlich einen Ruhepunkt zu finden.

Wir lernen Marco im Jahr 1999 als vierzigjährigen angesehenen Augenarzt kennen. Seine Ehefrau arbeitet beim Bodenpersonal der Lufthansa, und sie haben eine zehnjährige Tochter. Marcos jüngerer Bruder lebt mit seiner Ehefrau in den USA. Eine Schwester ist ertrunken. Selbstmord.

Der Film basiert auf dem 2019 erschienenen Roman des Architekten Sandro Veronesi, der sich damit in die A-Liga der italienischen Literatur schrieb. Wie schon das Lesen des Romans verlangt auch das Sehen dieses Films besondere Aufmerksamkeit, denn in der nicht linearen Erzählweise kommt es immer wieder zu Zeitsprüngen.

Eine Frau umarmt einen Mann von hinten, beide lächeln.

Pierfrancesco Favino und Berenice Bejo in "Der Kolibri"

Auf der Stelle treten

Das Wichtigste im Leben von Marco war und ist seine Jugendliebe Luisa. Er liebt sie von Anfang an, ohne dass je ein Verhältnis daraus würde. Stattdessen erwächst daraus eine (schmerzhafte) Schicksalsgemeinschaft. Luisa ist es auch, die Marcos Spitznamen „Kolibri“ eine weitere Bedeutung gibt: Ein „Kolibri“ ist „ein sehr intelligenter Vogel, der 60-Mal pro Sekunde mit den Flügeln schlägt, um in der Luft stehen zu bleiben“. Und genau das wirft ihm Luisa vor: Dass er seine ganze Energie darauf verschwenden würde, um an Ort und Stelle zu bleiben.

Trotz des tragischen Grundtons behält der Film eine Leichtigkeit, manchmal auch Komik, die ihn lohnend machen. 

INFO: I 2022. 126. Min. Von Francesca Archibugi. Mit Pierfrancesco Favino, Berenice Bejo.

Kommentare