Filmkritik zu "Der erste Tag meines Lebens": Das Leben ohne mich

Toni Servillo als mysteriöser Mann in „Der erste Tag meines Lebens“
Von Gabriele Flossmann
Kurz auf den Punkt gebracht: Ein mysteriöser Mann gibt in diesem Film vier Fremden, die kurz vor dem Selbstmord stehen, die Chance zu sehen, wie das Leben ohne sie weiterginge.
Der römische Regisseur und Drehbuchautor Paolo Genovese, der diese Vision in einen Film umsetzte, wurde 2016 mit dem Kassenschlager „Perfect Strangers“ quasi über Nacht berühmt. Darin treffen sich sechs Personen zu einem freundlichen Abendessen. Einer von ihnen schlägt ein scheinbar harmloses Spiel vor: Alle legen ihre Handys offen auf den Tisch, damit jeder auch die Nachrichten der anderen sehen kann. Insgesamt 15 Remakes gab es von diesem Film, darunter auch eine deutsche Version unter dem Titel „Das perfekte Geheimnis“.
Genoveses neuer Film basiert auf einer Geschichte, die er ursprünglich als Roman geschrieben hatte, weil er selbst nicht daran glaubte, dass sich der Stoff für einen Film eignen würde. Bis er beschloss, daraus selbst einen Film zu machen. Wie im Roman stellt Genovese auch in seinem Film die Frage, ob und wie man Menschen von Selbstmordplänen abbringen könnte, wenn sie an einem Tiefpunkt angelangt sind, an dem das Weiterleben für sie keinen Sinn mehr ergibt.
Das metaphysische Element der Geschichte manifestiert sich in der Figur eines Mannes, der das ganze Geschehen hindurch namenlos bleibt. Gespielt von einem der derzeit besten italienischen Schauspieler - von Toni Servillo, der Filmfans sicher aus „La Grande Bellezza – Die große Schönheit“ in bester Erinnerung ist. Er spielt eine engelsähnliche Figur, die einfach Uomo (der Mann) genannt wird. Er tritt vier sehr unterschiedlichen Menschen kurz vor ihrem Suizid entgegen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, einen Blick auf das irdische Leben nach ihrem Abgang zu werfen. Auf ihre Hinterbliebenen. Er hat eine Woche Zeit, um die vier Selbstmord-Kandidaten vom Wert ihres Lebens zu überzeugen und ihnen zumindest einen Hauch von Optimismus zu vermitteln.
Bedauerlicherweise ist dieser sehr bewegende Film auch mit einigen Mängeln behaftet: Vorhersehbarkeit, (Über-)Länge-und eine bisweilen allzu rührselige Stimmung, die die Kraft des Films schwächen.
INFO: I 2023. 121 Min. Von Paolo Genovese. Mit Tony Servillo, Gabriele Cristini.
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