Filmkritik zu "791 km": Schlechtwetter würfelt Schicksalsgemeinschaft zusammen

Zwei Frauen mit Mützen stehen nachts auf der Straße, eine hält einen Brief in der Hand.
Spontaner Roadtrip von München nach Hamburg lässt die Insassen eines Taxis ins Streiten kommen

Von Gabriele Flossmann

Die Wetterbedingungen, die die Handlung ins Rollen bringen, kennen wir aus leidvoller Eigenerfahrung. Eine Wetterkapriole bringt alles zum Stillstand. Flieger bleiben am Boden, Zugverbindungen sind gestrichen. Die am Hauptbahnhof von München gestrandeten Menschen versuchen, irgendwie weiterzukommen. Schließlich findet sich eine Fahrgemeinschaft, die beschließt, das Geld für eine Taxifahrt nach Hamburg zu teilen.

791 km sind eine lange Strecke für die temporäre Schicksalsgemeinschaft, die das Schlechtwetter hier zusammengewürfelt hat. Da ist einmal Marianne, eine ehemalige Professorin für Linguistik und Soziologie, die immer noch gerne die streitbare Alt-68erin heraushängen lässt – vor allem, wenn gerade einmal die Polizei „schief“ in ihre Richtung schaut. Sie wird sichtbar lustvoll von Iris Berben gespielt.

Dann gibt es Tiana, eine Frau mit iranischen Wurzeln, die in Hamburg ein ehrgeiziges Start-up-Projekt vorstellen will, und ihren Partner. Die Fahrgäste wuchten ihr Gepäck in den Kofferraum und machen es sich bequem.

Pinkelpausen

Im Inneren hockt bereits ein in sich verschlossenes Mädchen, gehüllt in eine signalrote Daunenjacke. Kaum haben sie München verlassen, prallen Meinungen und Ansichten aufeinander. Angeheizt durch den grantigen Taxifahrer Joseph, dem die lange Autofahrt durch Nacht und Nebel sowieso schwer gegen den Strich geht.

Die Fahrt wird nur durch Pinkelpausen unterbrochen. Beim Begriff Klimawandel kriegt Joseph einen dicken Hals und wagt bei der Diskussion um Ausländer gar den Satz, den viele oft unbedacht äußern: „Ich bin ja nicht rassistisch, aber ...“. Und dass diejenigen, die „rotes Fleisch und Zigaretten“ konsumieren, politisch ganz rechts anzusiedeln sind, daran gibt es im Taxi keinen Zweifel. Das gibt Ärger.

Fünf Personen sitzen in einem Auto, gesehen durch den Rückspiegel.

Lange Fahrt von München nach Hamburg: "791 km"

Die verschiedenen Lebenserfahrungen und Ideologien werden zu Stolperfallen, denn die streitbaren Passagiere sitzen zwar auf Tuchfühlung, emotional kommen sie einander erst langsam näher. Aber dafür haben sie ja 791 Kilometer lang Zeit.

Leider werden bei diesen Diskussionen wichtige Themen wie Angst vor dem Tod, Einsamkeit, Frauenbewegung und Schwangerschaft nur angerissen, um schnell wieder im Nirgendwo zu versickern. Das ist leider ein Manko dieser gut gespielten Tragikomödie. Die unterhaltsamen Sprüche der schlagfertigen Streithanseln können dieses Defizit nicht so ganz ausgleichen.

INFO: D 2023. 103 Min. Von Tobi Baumann. Mit Iris Berben, Joachim Król, Nilam Farooq, Ben Münchow.

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