Filmkritik zu "Trog": Rückkehr an die Orte der Kindheit

Gespräche mit Verwandten über schmerzhafte Familiengeschichte: „Trog“ von Ella Hochleitner
Von Gabriele Flossmann
Was haben ein Sci-fi-Thriller und dieser dokumentarische Heimatfilm gemeinsam? Zunächst einmal den Titel. Zwar kommt es in der Filmgeschichte immer wieder vor, dass zwei Werke unter dem gleichen Titel firmieren, aber in diesem Fall führt das zu erstaunlichen Assoziationen. Zunächst einmal bei der Autorin dieser Zeilen, die bei einer Recherche über die 1977 verstorbene Hollywood-Ikone Joan Crawford deren letzten Film „Trog“ zu sehen bekam.
Crawford spielt darin eine Anthropologin, die in einer Höhle ein affenartiges Wesen entdeckt. Es hat offenbar die Eiszeit überlebt und entpuppt sich bei näherer Untersuchung als genetische Vorstufe des heutigen Menschen. Ein Ungeheuer, das bereit ist, andere Menschen zu töten. Die Anthropologin nennt das (Un-)Wesen: „Trog“.
Und was hat dies alles mit dem neuen Dokumentarfilm zu tun?
Darin ist „Trog“ ein altes, verlassenes Bauernhaus in Österreich. Die Salzburger Regisseurin Gabriele Hochleitner hat die alten Mauern, diese stummen Zeugen von Tragödien aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, zum Sprechen gebracht.
Sie hat elf Bewohnerinnen und Bewohner an den Schauplatz ihrer Kindheit zurückgebracht und dazu ermuntert, Erinnerungen von damals wieder lebendig werden zu lassen. Der Inhalt dieser Erinnerungen führte zu den, eingangs bereits erwähnten, Assoziationen: Der rund ein halbes Jahrhundert alte Sci-Fi-Thriller und der zeitgenössische Dokumentarfilm drehen sich nämlich – genregemäß auf höchst unterschiedliche Weise – um die Frage: Was macht Menschen zu Tätern? Und wurde das „Böse“ in der Entwicklung zum Menschen genetisch verankert?
Für die Filmemacherin ist diese Doku auch eine Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Familiengeschichte. Mit der Kamera nähert sie sich der Geschichte ihres Heimatsorts in der NS-Zeit an. Im Mittelpunkt: Die Witwe eines Deserteurs. Es sind tiefgehende Gespräche, die Gabriele Hochleitner für ihren Film mit Verwandten unterschiedlicher Generationen geführt hat. Zum Vorschein kamen deren Traumata und auch der Mechanismus, wie diese generationsmäßig weitergegeben werden".
Schon in ihrem Film „In der Kurve" (2014) rekonstruierte Gabriele Hochleitner Geschehnisse von 1944, bei denen – in der Gegend, in der „Trog“, der Bauernhof, steht - ein SS-Bataillon von rund 1000 Mann eingesetzt wurde, um Deserteure ausfindig zu machen. Zwei Brüder ihres Vaters wurden damals von der Gestapo erschossen. In der neuen Doku erforscht sie, wieweit die Auswirkungen dieser Nazi-Verbrechen bis heute die Familien der ermordeten Deserteure überschatten. Daraus geworden ist ein ruhiger Film, der sich wahrscheinlich im Sci-Fi-Fantasy-Animation- und Action-Einheitsbrei des heutigen Kino-Angebots nur schwer behaupten kann. Aber wer sich darauf einlässt, dem erzählt er spannende Geschichte(n).
INFO: Österreich 2023. 120 Minuten. Von Ella Hochleitner. Mit Berta Hochleitner.
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