Filmkritik zu "Sirāt": Ein Vater sucht seine Tochter auf Rave-Parties

Schließt sich einer Gruppe von Ravern an: Der spanische Starschauspieler Sergi López (re.) in „Sirāt“.
Von Gabriele Flossmann
Der Titel bezieht sich auf eine Brücke, die Hölle und Paradies verbindet. Der Film beginnt mit Männern, die sich in der marokkanischen Wüste für eine Rave-Party vorbereiten. Darauf folgt eine lange Sequenz, in der man als Zuschauer quasi alleingelassen wird inmitten einer groovenden Menge, die sich tranceartig zu den lauten Rhythmen bewegt, die aus der steinigen Landschaft in den Kinosaal dröhnen.
Unter den Ravern wirkt Luis, ein bieder wirkender, angegrauter Mann, der mit seinem kleinen Sohn Esteban dort ist, eindeutig fehl am Platz. Er sucht nach seiner Tochter, einer umherziehenden Rave-Anhängerin, die schon seit längerer Zeit abgängig ist. Plötzlich tauchen Männer auf, die wie Militärs aussehen und die Party gewaltsam auflösen.
Luis schließt sich mit seinem Sohn einer kleinen Gruppe eingeschworener Rave-Anhänger an, die sich von der von Soldaten angeführten Karawane löst und in die weite Felslandschaft flieht. Von ihnen erfährt er, dass eine weitere Wüsten-Party geplant sei. Vielleicht sei seine Tochter dort. Mit ihnen bleiben Luis und Esteban für den Rest der Reise zusammen, obwohl der Film Fragen darüber offenlässt, wohin sie genau gehen.
Die erwartete Rave-Party soll irgendwo weit im Süden stattfinden – nahe der mauretanischen Grenze (und damit jenseits der Sahara). Es ist auch unklar, wie lange die Reise dauern wird und ob die Gruppe genug Essen und Benzin haben wird, um dorthin zu gelangen. Auch stellt sich Luis – und damit auch dem Publikum – die Frage, ob man in diesem Umfeld überhaupt jemandem vertrauen kann.
Ist es Luis und Estebans Pflicht, ihre Essens- und Wasservorräte zu teilen? Und noch wichtiger: Wissen die Fremden überhaupt, was sie tun? Bei dieser Truppe geht es mehr um veränderte Bewusstseinszustände mithilfe von Rave und Drogen als um Überlebenspraxis. Beunruhigend ist auch, dass der Hund von Luis und Esteban versehentlich LSD-Reste zu sich nimmt und krank wird. Doch es gibt nicht nur Gefahren: In einer schönen Szene erklärt Jade, eine der eher skurrilen als attraktiven Rave-Teilnehmerinnen, die Schönheit und Besonderheit dieses Musikgenusses in der Wüste. Vor allem, wenn sie aus beschädigten Lautsprechern ertönt. Luis wird gewarnt, dass sein Auto möglicherweise nicht für das Gelände geeignet ist. Dass es beim Überqueren eines Flusses überflutet wird, ist nur ein Vorgeschmack auf die Schrecken und Schocks, die sich auf den unbefestigten Bergstraßen abspielen.

Verloren in der Wüste: "Sirāt" von Óliver Laxe.
Der Film scheut sich nicht, die Zuschauer strukturell aus der Bahn zu werfen, und einige Handlungsentwicklungen sind so grausam, dass man sie kaum verzeihen kann, so sehr sie auch zum Filmkonzept zu passen scheinen. Mit starker Sogwirkung bringt er seine Figuren und das Publikum auf einen erschütternden Weg zwischen Leben und Tod, zwischen Rausch und Offenbarung. Eine spirituelle Reise durch Schmerz, Stille und Ekstase, getragen von hypnotischen Bildern und einem treibenden Soundtrack.
INFO: F/E 2025. 120 Min. Von Óliver Laxe. Mit Sergi López, Bruno Núñez, Jade Oukid.
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