"Herz aus Eis“: Marion Cottillard als arrogante Filmdiva

Marion Cotillard.
Marion Cotillard als falsches Idol in einer Neuversion von „Die Schneekönigin“.

Von Gabriele Flossmann

Inspiriert von Hans Christian Andersens „Die Schneekönigin“, erzählt dieser düster-schillernde und sehr gemächlich erzählte Fantasy-Film die Geschichte des Waisenmädchens Jeanne. Die 16-Jährige ist nach dem Tod ihrer Mutter in einem Kinderheim aufgewachsen. Das Original des vor 150 Jahren verstorbenen dänischen Märchenerzählers erzählt von Liebe und Errettung in einer (gefühls-)kalten Zeit. Ein höchst aktuelles Thema also.

Allerdings dekonstruiert die Verfilmung die literarische Vorlage mit einer künstlich-künstlerischen Struktur. Was nicht immer märchenhaft ausgeht. Der Film spielt in den 1970er-Jahren in Frankreich. Die Handlung entfaltet sich über eine weibliche Stimme, die aus dem Off vom Reich der Schneekönigin erzählt.

Das Bild gleitet über schneebedeckte Berglandschaften. Eine Welt, deren Kälte unheimlich und überwältigend erscheint. Jeanne ist gerade aus dem Pflegeheim geflohen und irrlichtert durch den tiefen, weißen Schnee. In einem französischen Alpenstädtchen findet sie schließlich Zuflucht. Im Keller eines Filmstudios, das mitten in den Dreharbeiten zu einer Verfilmung von Andersens „Schneekönigin“ steckt.

Filmset

Mitten im kunsteisig glitzernden Filmset erblickt sie Marion Cotillard als „Schneekönigin“ – und ist sofort von der kühlen Ausstrahlung der schönen Schauspielerin fasziniert. Immer noch geprägt von Trauer und Einsamkeit nach dem Tod ihrer Mutter idealisiert sie den Filmstar als mütterliche, feminine und möglicherweise sogar romantische Figur. Trotz der arroganten und kaltherzigen Allüren, die zum Vorschein kommen, wenn die Filmkamera gerade nicht läuft.

Um ihr näher zu kommen, mogelt sich Jeanne als Nebendarstellerin in den Cast. Die eindringlichen Blicke der „Schneekönigin“ ergreifen Jeanne so sehr, dass sich ihre Augen immer wieder mit Tränen füllen.

46-221015823

"Herz aus Eis“ von Lucile Hadžihalilović.

Was dem Film an Fantasy fehlt, bleibt am ausdrucksvollen Mienenspiel der Schauspielerinnen – oft in Großaufnahme – hängen. Die Filmdiva und ihr Fan beginnen einander zu spiegeln und diese Spiegelung erweist sich für beide als gefährlich. Denn die Schauspielerin ist nicht „nur“ eine kalte und gefühllose Schönheit, sie ist ein falsches Idol.

In einer Schlüsselszene kann Jeanne nicht widerstehen, einen Kristall aus dem Kostüm der Schneekönigin zu stehlen. Von diesem Moment an werden die Blicke durch den Kristall – mit all seinen Spiegelungen und Verzerrungen – auch für das Publikum zum Kaleidoskop.

Wahnvorstellungen

Jeanne gerät durch sie immer tiefer in ihre Wahnvorstellungen, die sie wie in einem endlosen Spiegelkabinett gefangen halten. Diese Deutung des Films evoziert auch der französische Titel des „La Tour de glace“ („Der Eisturm“.) Denn „glace“ kann nicht nur mit „Eis“, sondern auch mit „Glas“ oder „Spiegel“ übersetzt werden.

Der Film ist ein Versuch, den surrealen Prozess der Selbstwahrnehmung in Bilder umzusetzen. Die angestrebte Selbsterkenntnis des Publikums wird sich wohl angesichts eines allzu hohen Maßes an Künstlichkeit in ziemlich engen Grenzen halten. Alles im weißen Bereich also.

INFO: F/D 2025. 117 Min. Von Lucile Hadžihalilović. Mit Marion Cotillard, Clara Pacini.

 

Kommentare