"Living": Vor dem Tod noch Punkte auf der Habenseite sammeln
Von Gabriele Flossmann
Bill Nighy spielt Williams, einen knochentrockenen Londoner Beamten, bei dem kurz nach dem Zweiten Weltkrieg eine unheilbare Krankheit festgestellt wird. Als sein Arzt ihm sagt, dass er nur noch wenige Monate zu leben hat, bewahrt er Haltung – in Form einer typisch-britischen „Stiff Upper Lip“.
Nach dem ersten Schock beginnt Williams mit der Bilanz seines doch schon ziemlich langen Lebens. Mit dem Vorsatz zumindest, noch im Endspurt seines Erdendaseins ein paar Punkte auf der „gutmenschlichen“ Habenseite zu sammeln.
Die Handlung ist sehr – bisweilen zu sehr – fixiert auf Williams' größtenteils unausgesprochene Traurigkeit. Aber Nighys Darstellung vermittelt mit stiller Stärke und verinnerlichter Komplexität, dass in ihm sehr wohl tiefe Gefühle verborgen sind. Man sieht ihm zu, wie er mit der Beziehung zu einer Frau umgeht, die wie Liebe aussieht, aber zu verklemmt scheint, um Leidenschaft zuzulassen.
„Living“ ist eine lose Adaption von Akira Kurosawas „Ikiru“ (1952, alias „To Live“), einem Nachkriegsdrama über einen Bürokraten in Tokio, der nach einer unheilbaren Magenkrebsdiagnose auf eine ähnliche Reise geht. Dieses Remake ist kein großartiger Film, aber er bewegt. Dank Nighy.
INFO: GB/JPN/SWE 2022. Von Oliver Hermanus. Mit Bill Nighy, Aimee Lou Wood, Alex Sharp.
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