Festspiele Erl in China: Umjubelte Wagner-Mission

Meistersinger, 24-Stunden-Ring und Seilbahnen: Die Festspiele Erl in China
Begeisterte Hörer, "Ring" und Wintersport bei der China-Tournee – "Klassische Musik ist in"

Unglaublich, aber wahr. Sowohl die "Die Meistersinger von Nürnberg" als auch "Tristan und Isolde" sind in China bis vor Kurzem noch nie szenisch aufgeführt worden. Diesem unhaltbaren Zustand haben die Tiroler Festspiele Erl unter Gustav Kuhn mit ihrem Gastspiel beim "Beijing Music Festival" jetzt endlich ein Ende bereitet.

Schauplatz: Das (obwohl erst 20 Jahre alt) bereits deutlich in die Jahre gekommene "Poly Theatre". Es befindet sich mitten im gleichnamigen Hotel. Was nicht nur dazu führt, dass man auf seinem Zimmer den Sängern beim Einsingen zuhören kann. Sondern auch dazu, dass eincheckende Touristen mit ihren Trolleys sich mühsam den Weg durch die erwartungsfrohen Wagner-Fans bahnen müssen. Denn die Theaterlobby ist gleichzeitig die Hotellobby.

Total einfach

Großer Promi-Auftrieb bei der "Meistersinger"-Premiere. Unter den interessierten Ehrengästen auch Wang Wei, der nahezu einzige chinesische Wagner-Sopran (laut ihrer Bio Künstlerin der "Nationalkategorie I" und Empfängerin der Sondergage vom Staatsrat).

Am Ende der Vorstellung wird Wang, die schon Brünnhilde, Elisabeth und Elsa auf der Bühne dargestellt hat, nur milde lächeln: Diese Oper sei – im Gegensatz dazu – doch total einfach zu singen!

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Gratisfotos, Absprache mit Pressesprecher
Zwei Dinge überraschen: Erstens besteht das erstaunlich junge Publikum nicht etwa zur Hälfte aus westlichen Expats (wie man es aus anderen Großstädten gewohnt ist), sondern nahezu ausschließlich aus Einheimischen. Und zweitens schienen sich die Zuhörer so gar nicht wie gemeinhin zu verhalten. In einem extra verteilten Merkblatt hatte die Veranstaltungsagentur die Künstler nämlich schonend darauf vorbereitet, dass man in China meistens während der Aufführung zu schlafen und danach nach einem lauwarmen Applaus schleunigst das Weite zu suchen pflegt. An diesem Abend war keine Rede davon: Hellwache Aufmerksamkeit war hier zu spüren, gefolgt von herzlichstem und langem Applaus.

Aus dem soliden Ensemble herausragend Lurie Ciobanu (David) und Michael Kupfer (Hans Sachs).

Mission Wintersport

Dasselbe Bild wiederholte sich dann beim "Tristan", dessen Premiere durch die Anwesenheit einer vielköpfigen österreichischen Wirtschaftsdelegation (darunter Vertreter von Beschneiungsanlagen und Weihnachtsbeleuchtungen) unter der Führung von Landeshauptmann Günther Platter noch zusätzlich "geadelt" wurde.

Aufgrund der Vergabe der Olympischen Winterspiele 2022 nach Peking rechnet man sich im Land Tirol mit seinem Wintersport- und Olympia-Know-how natürlich große Chancen auf eine profitable Zusammenarbeit aus. Und nach einer in letzter Minute überraschend gewährten Audienz beim chinesischen Sportminister dürften diese Chancen auch als durchaus realistisch einzuschätzen sein. Nach Isoldes Liebestod (sensationell: Mona Somm ) waren dann jedenfalls nicht nur einheimische Musikliebhaber, sondern auch Tiroler Seilbahnbetreiber, die nach eigenem Bekunden zum ersten Mal in ihrem Leben überhaupt in einer Oper gewesen waren, total aus dem Häuschen.

Die Pekinger Fans gingen sogar soweit, auch Geigern und Harfenistinnen "aufzulauern" und sie mit Dankesbezeugungen zu überschütten: "Thank you for the music! Thank you for Wagner! Thank you for China!"

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Szenenwechsel. Nach einer fünfstündigen Fahrt im Highspeed-Zug (318 km/h) Ankunft in Schanghai, wo auf Einladung des Internationalen Art Festivals der "24 Stunden-Ring" auf dem Programm steht. Kuhn hatte zwar 2014 verkündet, er würde diese Marathon-Unternehmung maximal noch einmal vor dem lieben Gott wiederholen. Gott sei Dank hat er aber jetzt doch den Sirenenrufen der Verantwortlichen aus der 24 Millionen Einwohner zählenden Boomtown nachgegeben. Das Interesse ist auch hier riesengroß. Rudolph Tang, einer der angesehensten Musikkritiker des Landes, erklärt das so: " Klassische Musik ist in China in. Sie ist ein must-have wie z.B. das Iphone 6S. Das geht soweit, dass man sogar bei Popkonzerten zwischen den Acts die Mondscheinsonate spielen lässt." Als das (inklusive Rheingold) eigentlich 36 stündige Megaevent in der supercoolen Shanghai Symphony Hall zu Ende ging, war die Begeisterung einhellig. 20 Minuten Jubel, Standing Ovations. Und wie man hört, wird von chinesischer Seite bereits an eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit den Erlern gedacht.

Von Robert Quitta

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