Festspiele Erl in China: Umjubelte Wagner-Mission

Unglaublich, aber wahr. Sowohl die "Die Meistersinger von Nürnberg" als auch "Tristan und Isolde" sind in China bis vor Kurzem noch nie szenisch aufgeführt worden. Diesem unhaltbaren Zustand haben die Tiroler Festspiele Erl unter Gustav Kuhn mit ihrem Gastspiel beim "Beijing Music Festival" jetzt endlich ein Ende bereitet.
Schauplatz: Das (obwohl erst 20 Jahre alt) bereits deutlich in die Jahre gekommene "Poly Theatre". Es befindet sich mitten im gleichnamigen Hotel. Was nicht nur dazu führt, dass man auf seinem Zimmer den Sängern beim Einsingen zuhören kann. Sondern auch dazu, dass eincheckende Touristen mit ihren Trolleys sich mühsam den Weg durch die erwartungsfrohen Wagner-Fans bahnen müssen. Denn die Theaterlobby ist gleichzeitig die Hotellobby.
Total einfach
Großer Promi-Auftrieb bei der "Meistersinger"-Premiere. Unter den interessierten Ehrengästen auch Wang Wei, der nahezu einzige chinesische Wagner-Sopran (laut ihrer Bio Künstlerin der "Nationalkategorie I" und Empfängerin der Sondergage vom Staatsrat).
Am Ende der Vorstellung wird Wang, die schon Brünnhilde, Elisabeth und Elsa auf der Bühne dargestellt hat, nur milde lächeln: Diese Oper sei – im Gegensatz dazu – doch total einfach zu singen!

Aus dem soliden Ensemble herausragend Lurie Ciobanu (David) und Michael Kupfer (Hans Sachs).
Mission Wintersport
Dasselbe Bild wiederholte sich dann beim "Tristan", dessen Premiere durch die Anwesenheit einer vielköpfigen österreichischen Wirtschaftsdelegation (darunter Vertreter von Beschneiungsanlagen und Weihnachtsbeleuchtungen) unter der Führung von Landeshauptmann Günther Platter noch zusätzlich "geadelt" wurde.
Aufgrund der Vergabe der Olympischen Winterspiele 2022 nach Peking rechnet man sich im Land Tirol mit seinem Wintersport- und Olympia-Know-how natürlich große Chancen auf eine profitable Zusammenarbeit aus. Und nach einer in letzter Minute überraschend gewährten Audienz beim chinesischen Sportminister dürften diese Chancen auch als durchaus realistisch einzuschätzen sein. Nach Isoldes Liebestod (sensationell: Mona Somm ) waren dann jedenfalls nicht nur einheimische Musikliebhaber, sondern auch Tiroler Seilbahnbetreiber, die nach eigenem Bekunden zum ersten Mal in ihrem Leben überhaupt in einer Oper gewesen waren, total aus dem Häuschen.
Die Pekinger Fans gingen sogar soweit, auch Geigern und Harfenistinnen "aufzulauern" und sie mit Dankesbezeugungen zu überschütten: "Thank you for the music! Thank you for Wagner! Thank you for China!"

Von Robert Quitta
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