„Wer bist du, wenn du abends in den Spiegel schaust?“ Diese Frage stellt Felicia Lu in ihrem Song „Mirror“, der gerade auf ihrem Debüt-Album „Something Regrettable“ erschienen ist – der Gesellschaft, aber „zu allererst mir selbst“.
„Man ist nach außen immer anderes, als wenn man hinter verschlossenen Türen alleine ist“, erklärt die 27-jährige Wahlwienerin im Interview mit dem KURIER. „Ich kann mich öffentlich so positiv darstellen, wie ich mag, aber das macht mich nicht besser. Deswegen versuche ich, so authentisch wie möglich zu sein. Ich finde, so bereut man weniger.“
Diese Ehrlichkeit brachte Lu ungewollt auch den ersten großen Erfolg ihrer Karriere. Den Durchbruch schaffte die 27-Jährige nämlich voriges Jahr mit dem Song „Anxiety“, mit dem sie Vierte bei der Vorentscheidung zum deutschen Beitrag für den ESC wurde. Darin beschreibt sie die eigenen sozialen Ängste, die sie immer wieder überfallen. Die im deutsch-salzburgerischen Grenzgebiet aufgewachsene Musikerin leidet nämlich am Asperger-Syndrom, einer Form des Autismus, die Schwierigkeiten mit der sozialen Interaktion und sensorische Überempfindlichkeit mit sich bringt.
„Ich habe als Kind nicht gesprochen“, erinnert sich Lu. „Die Kindergärtnerinnen haben mich das erste Mal reden gehört, als ich auf der Bühne stand, weil ich die Hauptrolle in ,Der kleine Prinz’ gespielt habe. Ich habe auch nicht mit den Kindern gesprochen, bis die meine Freunde waren. Auf der Bühne konnte ich aber schon immer alles machen. Mit Leuten zu reden, habe ich in der Zwischenzeit gelernt. Aber zum Beispiel telefonieren finde ich immer noch furchtbar.“
Obwohl „Anxiety“ ihr erfolgreichster Song ist, war er Lu zu alt für das Album. Mit dem auf „Something Regrettable“ enthaltenen Track „Scatterbrain“ führt sie das Thema nämlich auf die nächste Stufe der Angstbewältigung: „Ich habe erkannt, dass es wichtig ist, zu akzeptieren, dass das ein Teil von mir ist. Früher habe ich versucht, mich durch unangenehme Situationen hindurch zu zwingen, weil ich dachte, andere schaffen das auch. Seit ich mir sage, das ist ein Teil von mir und es ist in Ordnung, wenn es mir so geht, ist der Druck raus und es wird schneller gut.“
Natürlich hat Lu, die ihre Videos und Visuals selbst konzipiert, auch einige Songs über zerbrochene Beziehungen mit wütenden Absagen an den Ex auf ihrem Album. Dann ist da aber auch „Don’t Wake Me Now“, das von Selbstmordgedanken handelt, denn „ich habe im Freundeskreis jemanden deswegen verloren“.
„Obsessed“ beschreibt die Sucht nach dem Handy. „Das merke ich, wenn ich zu Hause um 19.00 am Sofa hänge, plötzlich ist es 23:00 Uhr und ich war nur auf Instagram unterwegs. Man kann mit seiner Zeit Sinnvolleres machen. “
Und in dem Song „Bitch“ geht es um Stigmen, die Geschlechtern zugeordnet werden: „Wenn eine Frau ein Datingleben wie ein Mann hat, ist sie gleich eine ,Bitch’. Es gibt auch tatsächlich noch Ecken, wo man blöd angeredet wird, wenn man einen kurzen Rock trägt. Eine meiner Freundinnen wurde leider in einem Club sexuell belästigt. Und die Kommentare in den Sozialen Medien dazu – nicht nur von alten, auch von jungen Leuten – waren: ,Wenn du so in einen Club gehst, ist es kein Wunder, wenn man dich angrapscht.` Hallo? Wir sind doch nicht mehr in den 1920er-Jahren!“
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