Faszination Tattoo: Ein Gemälde, auf dem es viel zu entdecken gibt

Ralf Mitsch lebt als Fotograf in Amsterdam und war schon als Jugendlicher begeistert von Tattoos. In den 1980ern waren es vor allem Totenköpfe und Schlangen, die seine Aufmerksamkeit erregten und Mitsch fragte sich damals schon, "was machen diese Leute, was für ein Leben führen die?" Er bewunderte sie, weil sie den Mut hatten, ihre Individualität auf so kompromisslose Art und Weise auszudrücken. "Leute, die zu dieser Zeit Tattoos hatten, waren defintiv keine Bürgerlichen, sondern waren Teil einer Gesellschaft, die sich nicht um Normen scherte." Für Mitsch sind Tattoos auch heute noch mehr als Hautverzierungen, sie erzählen Lebensgeschichten.
Für die Meisten sind Tattoos heutzutage jedoch eher eine Modeerscheinung und mittlerweile sieht man auch Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten mit Tätowierungen. Mal blitzt ein Teil eines Maori-Tribals aus dem Hemd eines Managers, dann wieder erkennt man eine Schlange am Bein einer Kellnerin. "Je mehr die Haut mit Tattoos bedeckt ist, umso eher sieht es wie ein Gemälde aus, auf dem es viel zu entdecken gibt. Und umso größer ist meine Faszination", so Ralf Mitsch über seine Fotoserie "Why I Love Tattoos". Wichtig war es ihm auch, den Unterschied zwischen dem Tattoo als Modeerscheinung und als Teil einer Lebensgeschichte hervorzuheben.
Im Interview (unter der Bildleiste) erzählt Ralf Mitsch, wie er auf seine Models trifft und warum er selbst gar keine Tätowierungen hat...
Fotoserie: "Why I Love Tattoos"
Was fasziniert Sie an
Tattoos?
Als Teenager gehörten diejenigen, die Tattoos trugen, nicht zur Bourgeoisie. Gerade das Anderssein und sich ausgrenzen wollen vom Spießertum, hat mich fasziniert. Ich bewunderte auch den Mut, sich so permanent zu dekorieren. Heutzutage sieht man die unterschiedlichsten Formen von Tattoos. Für Manche sind es persönliche Geschichten und Erlebnisse, für andere wiederum eine Modeform.
Was war ausschlaggebend für ihre Porträt-Serie?
Auf einer Party habe ich Holger, mein erstes Modell, gesehen. Bei ihm kamen die Tattoos unter dem Hemdkragen zum Vorschein und für mich war sofort klar, dass ich ihn ansprechen muss, um ihn für ein Foto-Shooting einzuladen - er sagte sofort zu. Dann war mir auch ganz schnell klar, dass ich aus diesem Thema eine Fotoserie machen werde.
Wie sind Sie an die anderen Models herangetreten? Haben Sie sie auf der Straße angesprochen oder haben Sie einen Castingaufruf gestartet..?
Holger war mein erstes Modell. Schnell danach fragte ich Sylvie - eine Freundin von mir und mein zweites Modell aus der Serie. Mit den ersten beiden Fotos bin ich dann zu dem Tattoo-Studio gegangen, das bei meinem Fotostudio um die Ecke ist, und habe den Eigentümer gefragt, ob er mich in Kontakt mit Tätowierten bringen kann. Da ihm die Fotos sehr gut gefallen haben, hat er mitgemacht und er hat mir anfangs einige seiner Kunden vermittelt. Später bin ich dann über Freunde und Facebook an die Leute gekommen. Es melden sich auch ab und an Leute, die Lust haben mitzumachen. Da ich versuche so viel unterschiedliche Charaktertypen wie möglich in meine Serie zu bekommen, bin ich dann auch recht wählerisch.
Erfährt man dabei viel über den Menschen?
Das ist ganz unterschiedlich: Die einen erzählen viel über sich, ihre Tattoos und die Erfahrungen, die sie mit "Normalos" haben. Andere halten sich dagegen eher bedeckt. Man bemerkt dadurch auch den Unterschied zwischen Tattoos als Mode für die einen und als Lebensgeschichte für die anderen.
Haben Sie selbst
Tattoos?
Selbst konnte ich mich nie für ein Motiv entscheiden, was aber auch mit dem Bedenken zu tun hat, dass es mir nach einiger Zeit nicht mehr gefällt und ich es bereuen könnte - Aber die Faszination ist noch immer ungebrochen. Ich habe mir überlegt, vielleicht nach dem Herausgeben des Buches ein kleines Tattoo machen zu lassen - als Erinnerung an dieses Projekt.
Sagen
Tattoos etwas über den Charakter eines Menschen aus?
Das glaube ich nicht. Jeder trägt die Tattoos, die ihm gefallen. Das wäre genauso, als würde man Charaktereigenschaften nach der Kleidung beurteilen wollen.
Was für ein
Tattoo hätten Sie sich als kleiner Junge ausgesucht?
Ein Freund von mir hat sich damals einen kleinen Drachen tätowieren lassen. Der hat mir sehr gut gefallen.
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