Erinnerungen an Karlheinz Böhm
Seit er den Kaiser in den "Sissi"-Filmen gespielt hat, ist beinahe ein Menschenleben vergangen, aber er hat sich in dieser langen Zeit nie von dieser Rolle distanziert. Ganz im Gegensatz zu Romy Schneider, die "Sissi" gehasst hat. "Das sind drei blendend gemachte Filme", sagte er, "und das ist auch der Grund, weshalb sie heute noch gezeigt werden. Warum sollte ich mich von ihnen distanzieren?"
Zum letzten großen Interview, das ich mit Karlheinz Böhm führte, kam es im März 2008 zu seinem 80. Geburtstag. Wie er die Machart der "Sissi"-Filme und die Qualität der Schauspieler verteidigte, so war für ihn auch klar, dass sie "wenig bis gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben: Hier wird dem Publikum eine Lovestory vorgegaukelt, die es in dieser Form nicht gab. Das Leben des Kaiserpaares war eine einzige Katastrophe, vom Tod des Kronprinzen Rudolf bis zur Ermordung Elisabeths. Hätte man die wahre Geschichte gedreht, wäre das Ergebnis schlimmer als jeder moderne Horrorfilm."
Das Leben von Karlheinz Böhm
Romy und Karlheinz
Und dann kam er noch darauf zu sprechen, dass es ein bevorzugtes Thema der Illustrierten in den 1950er-Jahren war, Leinwand-Beziehungen in die Wirklichkeit zu projizieren. "Es wurde damals ständig spekuliert, ob Romy und ich auch privat ein Paar wären. Das war eine tolle Werbung für die Filme", schmunzelte Böhm, "aber Romy war damals 17 und ich zehn Jahre älter. Schon deshalb hätte ich nie die Idee gehabt, ihr nahe zu kommen. Sie können mir glauben, dass nichts dahinter war."
Ich glaubte es ihm.
"Sissi" hatte für Karlheinz Böhm eine ganz andere Bedeutung, waren die Filme doch der Grundstein für sein späteres Lebenswerk. "Ich setze die Popularität, die ich mir damals erworben habe, bewusst dafür ein, Geld für die ärmsten Menschen der Welt zu sammeln. Und das funktioniert sehr gut, alles andere ist nicht so wichtig."
Karlheinz Böhm hatte zum Zeitpunkt dieses Gesprächs seit 17 Jahren keinen Film mehr gedreht und sein Leben völlig in den Dienst von "Menschen für Menschen" gestellt. "Fehlt Ihnen der Beruf des Schauspielers denn gar nicht?" fragte ich ihn.
Er blieb Schauspieler
"Ich habe diesen Beruf nie aufgegeben", erstaunte er mit seiner Antwort. "Ein Schauspieler schlüpft in Kostüm und Maske, um ein anderer zu sein. Ich spiele nur keinen anderen, sondern den Karlheinz Böhm, der Menschen zu überzeugen versucht, etwas gegen den Hunger auf dieser Welt zu unternehmen."
Keine Starallüren
Karlheinz Böhm war ein unkomplizierter Interviewpartner, Starallüren waren ihm fremd. Es gab nur einen wunden Punkt – und das war die Vergangenheit seines Vaters, des berühmten Dirigenten Karl Böhm. Als Ioan Holender im Jahr 2005 in einer Rede zum 50-Jahr-Jubiläum der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper an Karl Böhms Nähe zu den Machthabern im Dritten Reich erinnerte, meldete sich Karlheinz Böhm, um seinen Vater mit den für ihn ungewöhnlichen Worten "Herr Holender sollte lieber seinen Mund halten" zu verteidigen.
In unserem Gespräch, das drei Jahre später stattfand, sah er diese Zeit doch differenzierter: "Unsere Elterngeneration hat versucht, alles zu vertuschen, was unter den Nazis passiert ist. Heute weiß ich, dass auch die ,Sissi’-Filme dazu beitrugen, die Gräueltaten der Nationalsozialisten vergessen zu machen. Gott sei Dank wird die Wahrheit jetzt von den Jungen aufgearbeitet – das ist gut so, auch wenn diese Wahrheit für die Alten unangenehm ist."
Der Vater
Das klang schon anders – auch wenn er seinen Vater nicht namentlich in seine Kritik mit einbezog. Dieser hatte dem "Kampfbund für deutsche Kultur" angehört, dessen Ziel es war, "die Berufung von Künstlern jüdischer Abstammung abzulehnen". Auch wenn Karlheinz Böhm in der Verteidigung seines Vaters sehr weit ging, war er zweifellos ein aufrechter Kämpfer gegen jede Form von totalitären Regimen. Alles andere wäre bei einem Menschen, der sein Leben den Schwächsten der Welt gewidmet hat, absurd gewesen.
Das Jahr 1981
1981 war nicht nur das Jahr, in dem er die Organisation "Menschen für Menschen" gründete, es war auch das Jahr, in dem er Vater und Mutter verlor. "Ich habe mich mit dem fast gleichzeitigen Tod meiner Eltern intensiv auseinandergesetzt", erklärte er damals. "Wie konnte es passieren, dass meine Mutter unmittelbar nach meinem Vater starb?", fragte er sich immer wieder und konsultierte Ärzte, um eine Antwort zu finden. "Meine Mutter klagte, als es mit meinem Vater zu Ende ging, plötzlich über Schmerzen." Sie starb acht Wochen nach ihm, er am 14. August, sie am 10. Oktober 1981 nach 53 Ehejahren. "Die Ärzte erklärten mir, dass die Abwehrmechanismen im Körper eines Menschen als Folge der Trauer im Extremfall dahinschwinden können. So muss es wohl bei meiner Mutter gewesen sein. Sie hat ihren Mann so sehr geliebt, dass sie ohne ihn nicht weiterleben konnte."
Seine Mutter Thea Böhm starb mit 78 Jahren, Karl Böhm wurde genau wie sein Sohn Karlheinz 86 Jahre alt.
LiebeserklärungUnd dann sagte Karlheinz Böhm noch als Liebeserklärung an seine Frau Almaz, die die ganze Zeit neben uns saß: "Ich hatte nicht das Glück meines Vaters, schon mit der ersten Frau mein Ideal zu finden. Bei mir hat’s erst beim vierten Mal geklappt."
Ich hätte nicht gedacht, dass unser Interview im März 2008 eines seiner letzten sein würde. Er war damals noch voller Elan und Erzählfreude. Doch sehr bald, nach Erkennen seiner Alzheimererkrankung, zog sich Karlheinz Böhm vollkommen aus der Öffentlichkeit zurück.
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