"El Juez": Eine Oper zu Ehren eines großen Sängers
Herz du kommst nicht mehr zur Ruh und der liebe Gott schaut zu": Es sind kleine Kinder mit großen, angstvollen Augen, die dieses traurige Lied allein und verlassen in der Uraufführung der Oper " El Juez" ("Der Richter") im Festspielhaus in Erl in einer Videoprojektion singen. Sie erinnern damit an ihr schreckliches, tatsächlich dokumentiertes Schicksal "der gestohlenen Kindern" während der Franco-Diktatur (1939-1975) in Spanien.
Tausende Kinder von nicht regimetreuen Eltern wurden damals diesen von Nonnen und Ärzten entrissen und in Klöster und andere Einrichtungen aus politischen Gründen zur "Umschulung" abgeschoben, wobei den Eltern erklärt wurde, sie seien bei der Geburt gestorben.
Das ansprechende und tiefgründige Libretto stammt von Angelika Messner und wurde ins Spanische übersetzt. Dazu schuf Christian Kolonovits, bisher hauptsächlich bekannt als Arrangeur, Musikproduzent und Komponist von Film- und Popmusik und einer Kinderoper "Antonia und Reißteufel" (2009), die an der Wiener Volksoper aufgeführt wird, eine sehr gefällige, wenig innovative, völlig tonale Musik mit angenehmem Klangbild, bei der sich der bekannte österreichische Komponist in allen nur erdenklichen Musikstilen bedient. Puccini, Menotti lassen ebenso grüßen wie Anklänge aus Pop, Rock und Jazz. Die teils auch sehr süßliche und pathetische Musik klingt eher nach Musical denn nach Oper.
Neben einigen sehr kantablen Ariosi durchaus mit Ohrwurmcharakter erlebt man viele Rezitative mit etwas seicht dahinplätschernder Musik aber auch packende Momente. Das Orchester der Tiroler Festspiele unter dem Carreras-Neffen David Giménez gibt sie ambitioniert und spielfreudig wieder.
Carreras beendet Pause
Im Fokus des Interesses steht aber weniger das Werk, als vielmehr die Auswahl der Titelpartie. Diese ist mit keinem Geringeren als José Carreras besetzt.Nach achtjähriger Pause singt der Startenor erstmals wieder Oper szenisch auf der Bühne.
Für ihn hat Kolonovits den Gesangspart des Richters Federico Ribas, selbst auch ein verlorenes Kind, maßgeschneidert: Obwohl der charismatische Sänger sehr zerbrechlich wirkt und gewisse stimmliche Schwächen nicht kaschiert werden können, verfügt er immer noch über große Präsenz und kann die Zerrissenheit und den Gewissenskampf, weil er selbst als Teil des Systems mitgeholfen hat, die Verschleppungen zu decken, auch stimmlich emotional intensiv darstellen. Vor allem sein Schlussgesang berührt sehr.
Carlo Colombara verkörpert auch stimmlich profund die Rolle des Morales, dem Führer der ultrarechten Bewegung mit dämonischer Bühnenpräsenz. José Luis Sola ist Alberto, wie sich später herauskristallisiert, der Bruder des Richters. Er singt mit sehr hellem, zu leichtem Tenor. Sabina Puértolas gibt die höhensichere, attraktive Paula. Sehr voluminös sind Ana Ibarra als Äbtissin und Milagros Martin als alte Frau zu hören.
Stehende Ovationen im ausverkauften Festspielhaus von Erl, der natürlich in erster Linie von seinen vielen angereisten Fans ihrem Idol Carreras galt.
Wiederholungen: 12. und 15. August 2014, jeweils 19 Uhr- Infos: www.tiroler-festspiele.at
KURIER-Wertung:
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