Eklat in Mannheim: Neuwirth geht auf Distanz

Eine Frau mit lockigem Haar und Ohrringen in Herzform ruht ihren Kopf auf ihrer Hand.
Kurz vor der Uraufführung ihrer Oper "The Outcast" distanzierte sich Olga Neuwirth von der Aufführung am Mannheimer Nationaltheater.

Das Spannende und Interessante blieb dem Publikum zunächst verborgen: Vor der Uraufführung der modernen Oper "The Outcast" am Freitagabend am Mannheimer Nationaltheater krachte es heftig zwischen der Komponistin Olga Neuwirth und Regisseur Michael Simon. Wenige Stunden vor der Premiere distanzierte sich die in ihre Heimat abgereiste Österreicherin öffentlich von der Inszenierung - was die Zuschauer im Theater aber nicht erfuhren.

Ein bisschen Zustimmung, Ablehnung und verhalten-freundlichen Beifall gab es nach 90 Minuten für die Revue in englischer Sprache über das Leben des amerikanischen Schriftstellers und "Moby Dick"-Erfinders Herman Melville (1819-1891). Verwundert waren viele Zuschauer, dass die Komponistin nicht auf der Bühne erschien.

Die 2010 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnete Neuwirth hatte vor der Premiere das Vorgehen des Teams rund um Regisseur Simon kritisiert. Sie sowie die beiden Librettisten Anna Mitgutsch und Barry Gifford seien "einfach missachtet" worden, so die 43-Jährige in einer Stellungnahme an die APA. Zu einer kooperativen Zusammenarbeit sei es nicht gekommen, vielmehr wurden "Einwände und Vorschläge - auch während der Probenzeit - nicht gehört". Deshalb sehe sie keine andere Möglichkeit, als sich nach der Generalprobe von der Produktion zurückzuziehen.

Neuwirth "empört über den Umgang mit Künstlern"

In dem Auftragswerk des Nationaltheaters blickt der nach Wahrheit suchende Melville (Anton Skrzypiciel) vor seinem Tod auf sein abenteuerliches Leben zurück. Mit Multi-Media-Einsatz sowie einem Kinder- und Erwachsenenchor werden dabei die Geschichte des Walfangs und die Rätsel der Ozeane thematisiert und die Habgier als Grundübel des kapitalistischen Zeitalters entlarvt. Die Anspielungen auf aktuelle Protestbewegungen wirken in der abwechslungsreichen Inszenierung mit Längen hin und wieder etwas zu konstruiert.

Immer wieder treten im Holz-Bühnenbild mit beruhigender, ab und zu aber auch beängstigender Meeres-Videoinstallation Figuren aus den Romanen Melvilles auf. Einen Schwerpunkt bilden Anspielungen auf "Moby Dick" um den einbeinigen Kapitän Ahab (Steven Scheschareg), den Matrosen Ishmael (als "Ishmaela" dargestellt von Trine Wilsberg Lund) und den gejagten weißen Wal. Die disharmonisch-musikalische Ebene mit tiefgründig-bitteren Texten und massiven Klangteppichen erinnert an einen Mix aus Neuer Musik und Filmmusik.

Neuwirth beklagte jedoch eine fehlende Einbindung in die Bühnenübersetzung und zeigte sich "empört über den Umgang mit Künstlern". Sie wolle zwar die Freiheit der anderen in keiner Weise einschränken. "Ich bin aber gegen die Missachtung und Entmachtung unseres Werkes. Stillschweigende Enteignung finde ich unmoralisch. Wir fühlen uns um unseren Beitrag betrogen." Ihre Ideen seien derart verdreht worden, dass "die Handlung und Aussage des Dramaturgen und des Regisseurs so über unsere gestülpt wurden, bis sie ihrer geistigen Augenhöhe entspricht". Das sei für sie "reine Verachtung des Schöpferischen".

Der Mannheimer Operndirektor Klaus-Peter Kehr reagierte bestürzt: "Ich bedaure sehr, dass Olga Neuwirth unsere Arbeit an der Realisierung ihrer Oper "The Outcast" nicht schätzen kann", sagte er der APA. Kehr verwies auf die "hohe künstlerische Qualität sowohl von ihrer Musik als auch von ihrer Oper" - und auf das Risiko, bei einer Realisierung "nicht den Vorstellungen der Urheber" zu entsprechen.

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